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Werner Schroeter, das Enfant terrible unter den Filmemachern der Nach-68er-Ära, realisierte 1980 den Film „Palermo oder Wolfsburg“ und wollte die Diskrepanz zwischen in ihrer kulturellen Tradition verhafteten, süditalienischen „Gastarbeitern“ und dem spröden, disziplinierten und auf Ordnung versessenen Fließbandunternehmen im Norden aufzeichnen. Ein sehenswerter Film, vor allem, weil Otto Sander mit von der Partie ist, aber ich möchte heute Wolfsburg, wo manchmal noch nicht einmal ein ICE hält, völlig außer acht lassen und mich Palermo widmen.

Aus gutem Grund, denn schon in 6 Monaten werden wir die sizilianische Großstadt an der nördlichen Küste der Mittelmeerinsel mit unserem Besuch beehren. Alle, die sich schon informiert haben, wissen, dass es zentral um die Manifesta 12 geht, jener ortsungebundenen Biennale, die nächstes Jahr in Palermo stattfinden wird. Wer die Manifesta noch nicht kennen sollte, kann unter http://m12.manifesta.org eine Menge über diese alle zwei Jahre stattfindende Schau zeitgenössischer Kunst erfahren.
Aber es geht um beide: um Palermo und die Manifesta und wir wollen den anreisenden Gruppen ein möglichst genaues, aber für die Dauer des Besuchs komprimierte Form einer Stadtexpedition bieten.

Wenn Menschen über Palermo sprechen, fällt vielen unmittelbar der Begriff „Mafia“ ein, jener sizilianischen, ehrenwerten Gesellschaft, die allerdings seit dem 19. Jahrhundert, als Geheimbund gegründet, keineswegs in ihrer Geschichte ehrenwerte Spuren hinterlassen hat. Um es deutlich zu sagen, es ist die „kriminelle Vereinigung“ schlechthin, die inzwischen als Synonym für alle verbrecherischen Banden weltweit gilt. Wer aber Palermo mit diesem Begriff gleichsetzt, täuscht sich gewaltig. Natürlich herrscht in Italien vom Süden bis zum Norden klandestin immer irgendwie auch die Mafia, aber wer meint, Palermo sei eine sinistre Räuberhöhle mit noch finstereren Gestalten, die an jeder Ecke lauern, denkt Blödsinn. Zwischen Reeperbahn und Bahnhof Altona ist es weitaus gefährlicher zu flanieren und das Böse tatsächlich oft direkt auszumachen, während in Palermo die Schönheit der Stadt mit seinen architektonischen Bauten aus vielen Epochen und die Liebenswürdigkeit der Menschen das Leben prägen.

Goethe schreibt in seiner italienischen Reise folgendes:

Italien ohne Sizilien macht gar kein Bild in der Seele: hier ist erst der Schlüssel zu allem.

Die vielen Pflanzen, die ich sonst nur in Kübeln und Töpfen, ja die größte Zeit des Jahres nur hinter Glasfenstern zu sehen gewohnt war, stehen hier froh und frisch unter freiem Himmel, und indem sie ihre Bestimmung vollkommen erfüllen, werden sie uns deutlicher.

Unser erstes war, die Stadt näher zu betrachten, die sehr leicht zu überschauen und schwer zu kennen ist, leicht, weil eine meilenlange Straße vom untern zum obern Tor, vom Meere bis gegen das Gebirg‘ sie durchschneidet und diese ungefähr in der Mitte von einer andern abermals durchschnitten wird: was auf diesen Linien liegt, ist bequem zu finden; das Innere der Stadt hingegen verwirrt den Fremden, und er entwirrt sich nur mit Hülfe eines Führers in diesem Labyrinthe.

Aber lassen Sie mich zunächst einige Bauwerke in der historischen Stadt vorstellen.

Die Piazza Pretoria wird von einem monumentalen Brunnen, der Fontana Pretoria, beherrscht, errichtet 1544-1555 von den Florentiner Bildhauern Francesco Camilliani und Angelo Vagherino. Mit einem Umfang von 133 Metern und einer Höhe von 12 Metern ein Gigant unter den Brunnen.

Das Rathaus oder offiziell der Palazzo Senatorin, auch Palazzo del Municipio genannt, soll im Jahre 1463 fertiggestellt worden sein. Die vier Adler an der Fassade und dem Portal führten dazu, dass er Palazzo delle Aquille genannt wurde. In der Fassade eingelassene Marmortafeln erinnern an den Anschluß Siziliens an das Königreich Italien am 21. Oktober 1860. Übrigens ein Wahlbetrug, weil die Nein-Stimmen nicht wirklich gezählt wurden.

Santa Caterina, wird die Kirche der Dominikanerabtei genannt und man kann sie unzweifelhaft als ein Meisterwerk des Sizilianischen Barocks bezeichnen. Schon im 14. Jahrhundert entstanden, wurde das heutige Gebäudeensemble zwischen 1580-1596 zu dem Prachtbau umgestaltet, der heute zu sehen ist. Eine Doppeltreppe im Stil der Spätrenaissance und die Statue der heiligen Katherina bestimmen die Fassade. Die weit sichtbare Kuppel wird in der Mitte des 18. Jahrhunderts datiert.

An Kirchen mangelt es Palermo wahrlich nicht, erwähnenswert ist auch San Francesco d‘ Assisi aus dem frühen 13. Jahrhundert, die gemeinsam mit dem dazugehörigen Franziskanerkloster erbaut wurde. Der Stil mittelalterlicher Baukunst ist sehr gut erhalten, auch wenn sie Friedrich II. nach seiner Exkommunikation durch den Papst dem Erdboden gleichmachte. 1255-1277 wurde sie wieder aufgebaut.

Der Palazzo Mirto wurde im 18. Jahrhundert errichtet, allerdings auf den Grundmauern und einigen Gebäudeteilen aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Einige Räume weisen noch die originale Möbelausstattung auf, was den Eindruck adeliger Wohnkultur des späten 18. Jahrhunderts sehr gut vermittelt.

Der Palazzo Fatta stammt aus dem siebzehnten Jahrhundert und die Herzöge Denti di Piraino sind als Erbauer verzeichnet. Dieser Stadtpalast wurde im Laufe der letzten Jahrhunderte mehrfach umgebaut. Die Fresken von Antonio Manno sind ein Herzstück des Innenraumes und heute werden einige Räume von der Stadtverwaltung oder von privaten Repräsentanten für Veranstaltungen genutzt.

Garibaldi, der 1860 Sizilien eroberte und Palermo besetzte, wurde nach der Schlacht von Milazzo Herrscher über die gesamte Insel. Seine Rothemden eroberten danach, bei Messina schlugen sie die große Armee von Franz II,  ganz Italien. Im Buch di Lampedusas „Der Leopard“ werden die Ereignisse dieser Zeit sehr eindringlich beschrieben.
Im Giardino Garibaldi kann man die wahrscheinlich größten Gummibäume Europas mit einem Umfang von 10 und mehr Metern und unzähligen Luftwurzeln bewundern. 1396 wurde an dieser Stelle Andrea Ciaramonte, der letzte Sproß seiner Familie,  wegen Rebellion gegen König Martin I. von Aragon enthauptet.

Zum Schluss einige Buch- oder Filmempfehlungen über Palermo oder Sizilien.

  1. Petra Reski – Rita Atria – Eine Frau gegen die Mafia.
  2. Petra Reski – Serena Vitales dritter Fall – Kriminalroman
  3. Hans-Josef Ostheil – Das Kind, das nicht fragte – Roman
  4. Roberte Zapperi – Eine italienische Kindheit – Roman
  5. Wer erschoss Salvatore G. – Spielfilm von Francesco Rosi
  6. Palermo Shooting – Spielfilm von Wim Wenders
  7. Cinema Paradiso – Spielfilm von Giuseppe Tornatore
  8. Der Sizilianer – Spielfilm von Michael Cimino