Die Geschichte Griechenlands, zumindest fast die letzten 200 Jahre, zeigt deutlich, dass der aktuelle Zustand des Staates wie der Nation nicht von ungefähr gekommen ist und dass die gesamten Ereignisse jeglicher Politikversuche, die seit den Fünfziger Jahren fast nur als Inzuchtveranstaltungen zweier großen Familien sowie zweier übermächtiger Oligarchen zu bewerten sind, aus einer umfassenderen Perspektive zu beleuchten ist und kurzfristiges Urteilen nur zu Missverständnissen führen kann. Karamanlis und Papandreou wechselten sich in der Politik ab und Onassis und Niarchos beherrschten lange Jahre als ökonomische Krösusse einen übermächtigen Bereich der Wirtschaft. Bis auf die Militärdiktatur zwischen 1967 und 1974, bestimmten sich Herren das Schicksal des Landes , denn man kann in einer Gesellschaft, die eindeutig männerdominiert funktioniert, im Kleinen wie im Großen, nicht davon ausgehen, dass Frauen in irgendeiner Weise Teilhabe gewährt wird. Natürlich kann man auf Christina Onassis wie auf Melina Mercouri verweisen, aber beide haben nur bedingt Spuren hinterlassen oder das Land prägend vorangebracht. Wobei Frau Mercouri zumindest in der Regierung Papandreou als politisches Schwergewicht zu sehen war, auch wenn sie als Gallionsfigur der Linken durch ihre Berühmtheit im Film international bekannt geworden ist. Als Kultusministerin sorgte sie dafür, dass mit anderen Persönlichkeiten aus der Kulturwelt Europas die alljährliche Kulturhauptstadt eingeführt wurde. „Sonntags nie“, ihr bekanntester Film und ihr Widerstand gegen das Papadopoulos-Pattakos-Regime werden den Griechen immer in Erinnerung bleiben. Christina Onassis, die schon mit 38 Jahren starb, fiel eher als Jetretterin innerhalb der reichen Schickeria auf, brachte aber durch ihr Engagement die Alexander-Onassis-Stiftung auf einen guten Weg, wovon das Onassis Cardiac Surgery Centre (OCSC) zwischen Athen und Piräus zeugt. Machtbesessene Familien und Nepotismus, raffgierige Ölmagnaten, die letzten Tycoons des Mittelmeeres, ein aufgeblähter Beamtenapparat und keine funktionierende Finanzpolitik haben vielleicht, wenn man einen kurzen Augenblick inne hält und um die Ecke denkt, auch etwas Gutes bewirkt, indem das Volk schließlich nach langen Zeiten des Duldens, nämlich vor ein paar Jahren, die Faxen endgültig dicke hatte und eine linke Volksregierung jüngerer und unverbrauchter Politfrischlinge an die Macht brachte. Die Syriza mit dem immer freundlich dreinschauenden Alexis Tsipras und dem eloquenten Yanis Varoufakis (der Brüssel durcheinander wirbelte und sich dann plötzlich zurückzog) sind weder vom Himmel gefallen noch ist es ein von dunklen Mächten gesteuertes Teufelswerk, welches das am Boden liegende Land noch mehr zerstören oder aussaugen will, wie es die Kamarilla konservativer und rechter Medien in Westeuropa die Menschen Glauben machen wollte. Mit dieser Regierung geschah mit dem Land etwas, was die Menschen nicht mehr kannten oder erwarteten und was diesem europäischsten aller Länder dieses Kontinents einen Neuanfang bescheren kann, der vielleicht dort wieder anknüpft, wo einst Sokrates, Platon und Aristoteles mit der Polis, der Agora und der Demokratie wie den davor entstandenen philosophischen Erkenntnissen vor mehr als zweitausend Jahren angefangen haben. Europa wird von uns Europäern ohne großes Nachdenken als Begriff für einen geografischen Teil der Erde wie einer großen Idee für viele lebensnotwendigen Ideale der Menschheit benutzt, ohne dass die meisten Menschen dieses Kontinents wissen, woher dieser Name Europa eigentlich stammt und wie aus dem Name der Begriff wurde, der dann ein Symbol oder eine Losung für eine Vision eines friedlichen und gerechten Zusammenlebens von uns Europäern wurde.
Bedienen wir uns der Etymologie: Das Wort (eurys) soll „weit“, „breit“ heißen und das Wort (ops) „Auge“, „Gesicht“. Man könnte daraus schließen, dass damit „weitsehend“ oder „weitsichtig“ gemeint sein könnte. Aber ebenso stößt man auf eine andere Erklärung: (eurys) „dunkel“, „tief“. Abendland vielleicht, wie manche allzu offensichtlich vermuten? Wie auch immer die Sprachforscher ihre Deutungen in langatmigen Diskursen bewerten mögen, populär ist auf jeden Fall der Mythos aus der griechischen Sagenweit, mit der wir uns als Schüler entweder zwanghaft auseinandersetzen mussten oder indem wir mit glänzenden Augen die Bücher verschlangen, die uns eine über allem Irdischen schwebende Götterwelt auf dem Olymp und weit darunter begeisterte. Oben saß also der Gott Zeus, der als großer Schwerenöter vor allem bei den Sterblichen berühmt und berüchtigt war und der immer wieder Ausschau hielt, welche hübsche junge Frau er auf der profanen Erde irgendwie verführen könnte. So verliebte er sich, besser er verguckte sich in eine phönizische Prinzessin, die Europa genant wurde. Sie war die Tochter des Königs Agenor von Tyros (oder Sidon) und der Telephassa (oder Ariope oder der Nymphe Melia). Die Phönizier bewohnten das Gebiet der östlichen Mittelmeerküste, also dort, wo aktuell alles in größter Unordnung ist: in den heutigen Ländern Libanon, Israel, Palästina und Syrien. Zeus verwandelte sich in einen Stier und entführt die Schöne, um sie „schwimmend“ nach Kreta zu bringen. (Ob das alles so stimmt, weiss ich nicht, es ergibt sich aus einigen Recherchen, ebenso wie die etymologischen Ausschweifungen, die auch nicht viel beweisen). Der griechische Schriftsteller und Geograph Herodot deutete den Begriff „Europa“ geographisch und bezog ihn auf den südlichen Teil Griechenlands, den Peloponnes, während er alles, was sich nördlich und südlich des Mittelmeeres wie des Schwarzen Meeres befand, unter Asien (Assu assyrisch Sonnenaufgang oder Osten) und Afrika (Hebräisch afar = Staub und griechisch aphrike = unklar) subsummierte. Das kann man so sehen, muss man aber nicht und es ändert auch nicht viel an dem Europa, welches wir heute kennen und das in diesem Zusammenhang interessant für uns ist. Soweit der Exkurs über die Entstehungsgeschichte Europas.
Die Griechen haben in ihrer wechselvollen und oft katastrophal durcheinander purzelnden Geschichte dieses Europa offensichtlich viele Jahrhunderte aus den Augen verloren, zumal sie immer wieder fremdbeherrscht wurden und ohnehin mit visionären Ideen und utopischen Umsetzungen historischer Zusammenhänge nicht viel am Hut hatten, oder vielleicht eher an der Lammfellmütze. Zuletzt (wir dürfen die Nazis später niemals vergessen) waren es die Osmanen, man kann auch sagen die Ur-Urgroßvater der Türken, die das hellenische Land unter der Knute hielten. Als diese sich dann ab 1821 zu befreien begannen, um wieder oder das erste Mal nach der christlichen Zeitrechnung eine Nation zu werden, setzten sie sich 1832 einen siebzehnjährigen deutschen Jüngling, den bayrischen Prinzen Otto, als Monarchen vor die Nase. Es folgte ein Georg aus dem Schleswig-Holsteinischen. Danach rauften und zerrten sie mindestens 170 Jahre mit- und gegeneinander und bei diesem Tumult geriet alles in Vergessenheit, was man sich in grauer Vorzeit einmal ausgedacht und für die Zukunft gewünscht hatte. Ich habe über diese Zeit fast 14 Seiten geschrieben und möchte keinesfalls in diesem Artikel diesen eher verwirrenden Kuddelmuddel wiedergeben, zumal diese Geschichten aus der Geschichte nicht gerade erhebend sind, eher sind sie traurig und in jeder Hinsicht dystopisch.
Es geht aber darum, was heute mit Griechenland geschieht oder was in Hellas, wie die Griechen ihren Staat nennen, in der Zukunft geschehen kann und da bin ich zumindest optimistischer als viele andere, weil einerseits Herr Schäuble (und andere aus der Finanzoberaufsicht) nicht ewig den Finanzzampano spielen kann und die immensen Schulden ohnehin niemals zurückgezahlt werden können. Ich halte es wie viele Ökonomen, die eine Art modernen „Marshallplan“ vorschlagen, um die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen, die kaputte Infrastruktur in Ordnung zu bringen, die maroden Rentenkassen zu sanieren und die in sich zusammenfallenden Gesundheitssysteme auf die Beine zu stellen, damit Griechenland zumindest so stabilisiert wird, dass es im Kanon aller wohlmeinenden europäischen Staaten mit lauter Stimme wieder mitsingen kann. Übrigens wäre Deutschland nicht das Land, wie wir es heute kennen, wenn die US-Amis nicht mit den Geldern dieses historischen Marshallplans uns Deutschen wenigstens die Chance gegeben hätten, das Land wieder aufzubauen, uns selbst moralisch aufzurichten und mit sichtbaren Erfolgen nach vorne zu schauen. Denn wir waren nach dem großen Desaster des Weltkriegs-Armageddon wirklich keinen müden Heller mehr wert und völlig am Boden zerstört. Deshalb müssen wir ungeheuer aufpassen, was einige unserer Regierungen heute vorschlagen oder anregen, wenn sie sich in Europa als Hüter der Demokratie und Zuchtmeister der Ökonomie gerieren und gedankenverloren die Lehren der Vergangenheit außer acht lassen. Wir denken oft viel zu schnell, dass wir die Zeit beherrschen können, weil wir sie messbar gemacht haben und in viele mathematisch nachvollziehbare Sektoren aufteilen können, aber die Zeit hat ihre eigenen Gesetze und was Jahrhunderte gebraucht hat, um als gegenwärtiger Zustand in einer gewissen statischen Form wahrgenommen zu werden, ist letztlich auch nur eine Momentaufnahme. Gerade die politischen Umwälzungen seit dem Brexit und Trumps-Wahl zeigen, wie schnell sich alles ändern kann und dass langfristige Vorhersagen über Nacht Null und Nichtig sein können. Lassen wir den Griechen die Zeit, die sie unbedingt brauchen, es wird keinen von uns schaden und dem griechischen Volk langfristig nützen.