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Glotze, Kotze, Hotzenplotze

Der Sommer zieht vorüber, die letzte Dose ist schon leer, die Schwalben frieren und bald schon plumpst die Sonne ins Winterloch.

Wer sich wie ich in diesem Sommer zunächst darüber gefreut hat, dass es endlich wieder einmal regnete und mit großer Besorgnis und auch Angst die Auswirkungen der Bruthitze im Mittelmeerraum verfolgte, fragte sich, warum der Klimawandel die Verteilung von Sonnenstrahlen, moderaten Temperaturen und  Niesel- und Starkregen dermaßen ungerecht auf dem gesamten Globus regelte oder einfach nur anarchisch außer Rand und Band tolldreiste Kapriolen schlug und mit Drohgebärden deutlich auf die klimatische Zukunft zielte. Letzteres ist wahrscheinlicher, unterliegt aber einem bisher noch nicht entschlüsselten und kaum vorhersehbaren Lauf der noch zu erwartenden weltweiten Veränderungen von el Nuno und la Nina. Nach einer Woche bedeckter Himmel und sich wiederholenden Regenschauern regt sich leicht der erste Unmut, der nach zwei Wochen Nässe und Grauingrau schon zu Ärger, Flüchen und wütenden Kommentaren in Richtung Himmel führte. Wenn dann zusätzlich die großen Ferien das Bundesland auf Sparmodus runterfahren und das Volk oder die Bevölkerung, die zuhause geblieben sind, kaum Ausweichmöglichkeiten oder Alternativen sehen, die Freizeit oder die freie Zeit einigermaßen nervenschonend oder outdoor-kreativ zu gestalten. In diesem Zusammenhang wird es im Belohnungszentrum des Hirns eng und die Überbeanspruchung des Hinterteils sorgt schon für einen ermüdenden Dauerschmerz der Lendenwirbel. Natürlich kann sich jeder und jede bei jedem Wetter, ob es stürmt oder pieselt, ob die Sonne unerbittlich brettert oder die Blitze zucken, draußen aufhalten und das machen, was seiner oder ihrer Ansicht nach Zufriedenheit, Befriedigung oder Spaß bereitet, wenn Mensch auf die richtige Bekleidung achtet. Ostfriesennerz oder Regenschirm, Daunenjacke oder Gummistiefel, wie es euch gefällt oder wie man sich gefällt. Zu meiner großen Erleichterung, betrifft diese Variante nicht alle Menschen und diejenigen, die zudem arbeiten müssen, krank sind oder Kleinkinder haben, haben ohenhin kaum Zeit oder Muße, bei Regen und Matschwetter durch die Landschaft zu stapfen und werden vor geschlossenen Ausflugslokalen in sich hinfluchen, ohne eine Miene zu verziehen. Ich gehöre einer Spezies an, die sich zuhause bei der Arbeit oder beim Lesen, Dokus und Filme gucken oder leckere Speisen auszutüfteln, immer wohl fühlt, auch wenn ich mir innerlich wünsche, dass die Sonne bald wieder scheinen möge und der Himmel blau wird und die Umwelt wieder mehr an Farbe gewinnt. Das heißt aber nicht, dass ich nicht gerne im Freien wäre, nein, im Gegenteil, aber 19 Grad muss das Thermometer schon anzeigen und die einzige Feuchtigkeit, die ich ertrage, ist der Schweiß auf meiner Haut. Oder das Salz des Atlantiks.Mittelmeer geht notfalls auch.

Als begeisterter Cineast, Cinephiler oder einfach nur Filme Schauender fürchte ich außer dem Winter, Massenkundgebungen oder -events, Autobahnstaus, Deutschen Schlager, Baggerseen oder unerwarteten Besuch nur das deutsche Fernsehprogramm zwischen Anfang Juli und Ende September. Alle aufgezählten Befürchtungen können sich aber auch als Bestandteil ins Fernsehprogramm einschleichen, wenn auch nur als visuelle Spektakel auf der 55 Zoll Mattscheibe. Ich erwähne die Größe nur, weil ich die bewegten Bilder zum einem so lebendig wie möglich anschauen will und zum anderen mit Schaudern sehe, wie sich Menschen in Bussen oder Wartezonen TV-Sendungen oder SocialeMedia-Unsinn oder Spiele auf ihren smartphones mitten zwischen deren Augen in den Kopf schießen, indem sie im sehr kurzem Abstand zum Medium etwas zu erkennen versuchen. Antun ist ein harmloser Begriff, denn ich beurteile dieses Verhalten als masochistischen Versuch die Augen zu verderben und sämtliche sensiblen Bereiche des Gehirns qualvoll zu martern. Wenn ich unterwegs bin, schaue ich hin und wieder Fußballspiele oder lese im Spiegel, der Zeit oder anderen Printmedien, die auch digital zu empfangen sind, auf meinem immerhin 14 Zoll großen Macbook. Die Bundesliga macht Pause und die Politik verkrümelt sich an angenehmere Orte als der City um das Bundeskanzleramt und den Reichstag, um sich von den anstrengenden Rededuellen und Sitzungsmarathons zu erholen. Womit also soll ich mich im stehengebliebenen Intercity nach Freiburg unterhalten als mit mitgenommenen Bücher oder dem Laptop? Es gibt Mediatheken und die Streamingdienste bieten jede Menge Filme und Dokus an. Aber alles, was besondere Qualität bietet, sollte jeder Interessierte auf einem sehr viel größeren Bildschirm genießen, denn auch 17 Zoll ist eindeutig zu klein. Aber im Zug sehe ich viele, die den Versuch unternehmen, die schnellen Slapsticks der Marx Brothers oder schwindelerregenden Actionfilme wie „Stirb nie im ICE.“ nicht nur auseinanderzuhalten, sondern auch verstehen zu wollen. Zugfahrer sollten sich, wenn es im Stream nichts anders zu sehen gibt, immer mit Tierfilmen oder Kochsendungen zufrieden geben.

Kommen wir zum primären Thema dieses Textes: dem deutschen Fernsehen im Sommerloch. Schätzungsweise werden von montags bis sonntags auf allen verfügbaren Sendern täglich mehr als fünfundzwanzig sogenannte Krimis gezeigt, angefangen vom Tatort und Polizeiruf über die Rosenheim Cops, Regionalkrimis mit zwei Ermittlern (der Tatort lässt grüßen) aus Zürich, Barcelona, Lissabon,  Bregenz, Kroatien, Bozen, Bretagne etc, Hafenkante, Nord bei Nordwest, der Bulle von Tölz, Mord mit Aussicht, mit Schirm, Charme und Melone, Wallander, Kommisar Beck und viele viele mehr, die ich aus Qualitätsgründen nicht zu nennen mag. Alles nur Wiederholungen, denn im Sommerloch muss der Gehirnkasten der Zuschauer in Sachen Mord und Totschlag immer wieder aufgefrischt werden, wobei diese Krimis so voraussehbar sind wie die hereinrechende Dunkelheit. Bei der ARD und beim ZDF steckt meistens die DeGeTo hintder den Produktionen oder in Worten die „Deutsche Gesellschaft für Tonfilm“. Ach wären es doch Stummfilme, denn diese ausgelutschten Dialoge über eine Stunde auszuhalten, bedeutet der sprachlichen Totalverblödung ein wesentliches Stück näher zu kommen. Jeder Fernsehzuschauer oder genauer jeder Haushalt zahlt in Deutschland für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einen Rundfunkbeitrag von 18,36 Euro im Monat. Das sind 220,32 Euro im Jahr und ich wette, dass die größten Summen bei Fernsehspielproduktionen, Unterhaltungssendungen, Ratsendungen und gewissen Großsportereignissen anfallen und trotzdem qualitativ nichts zu bieten haben. Abfall. Laut Bundesamt für Statistik leben die Deutschen in ca. 41 Millionen Haushalten, unterteilt in Mehrpersonenwohnungen, Paarwohnungen und Einzelhaushalten. Wenn ich die wegen mangelnden Einkommens begünstigten Haushalte abziehe, bleiben sicherlich noch 35 Millionen Haushalte übrig, das bedeutet 7. 7.712 Milliarden Euro. Viel Geld, wenn ich berücksichtige wie sich Quantität gegenüber Qualität verhält. Die ARD Serie „Babylon Berlin“ soll mit Unterstützung des privaten Sky-Sender über 40 Millionen gekostet haben, wovon die ARD mindestens die Hälfte auf den Tisch blätterte. Ausgerechnet wurden 15.000 + Euro pro Minute, wobei ich konzidiere, dass sich das Geld durch Auslandsverkäufe gut akkumuliert hat.
Kommen wir zum Rechtlichen, denn für soviel Geld sollte es Regeln geben, die in der Umsetzung für eine gerechte Verteilung sorgen: „Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen.“ und weiter „Ihre Angebote haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Sie haben Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten. Auch Unterhaltung soll einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entsprechen.“ Das ist deutlich und verständlich und eigentlich auch einleuchtend, wird aber der Wahrheit in geringstem Maße gerecht. Das Fernsehprogramm beginnt schon früh am Morgen und wird bis tief in die Nacht ausgestrahlt, der Gebührenzahler kann also gut und gerne vierundzwanzig Stunden in den Blödmannskasten starren. Wenn man nur die Öffentlich-Rechtlichen-Rundfunkanstalten unter der Ägide der ARD, des ZDF, arte, 3sat untersucht, kann jeder Zuschauer und jede Zuschauerin mindestens 25 Sendeanstalten empfangen und sich aus dem vielschichtigen Angebot das herauspicken, was gefällt oder interessiert oder eben nur die Langeweile vertreiben kann, wenn überhaupt. Im Vergleich zu vielen anderen europäischen Ländern, die ein derartig öffentlich bezahltes System nicht unterhalten, hat Deutschland im ÖRR (Öffentlich Rechtlichen Rundfunk) mit Abstand die beste und dichteste Programmstruktur.Wer in Italien, Großbrittanien, Spanien oder auch Frankreich gezwungenermaßen einige Zeit vor einer Glotze verbringen musste, weiß wovon ich spreche. Unterirdisch. Dafür haben wir aber auch eine Reihe privater Sender, die sich durch Werbung finanzieren und in deren Dunstkreis ich mich nur bei Championsleaguefußball traue. Wenn ich das Tagesprogramm bis 18 Uhr beiseite lasse, gerate ich in die gefährliche Zone der Unterhaltung, die von Nachrichtensendungen, Politmagazinen, Talkshows oder auch periodisch von Sportübertragungen gespickt sind.
Primetime ist immer nach der Tagesschau oder wie beim ZDF schon nach 19:15 Uhr. Grober durchschnittlicher Schätzung zufolge werden pro Woche in den ÖRR-Medien mindestens 150 Krimis, oder was die Macher dafür halten, ausgestrahlt. In den Sommermonaten gelangen keine aktuell abgedrehten Tatorte oder Polizeirufe ins Abendprogramm, dafür aber jede Menge Wiederholungen und Tatortsurrogate, deren Namen keiner wissen will, der einen Krimi als Qualitätsunterhaltung mit Spannung, Tiefgang, Humor oder Thrill betrachtet: Als da wären: „Sieben, Vier im roten Kreis, Taxi Driver, das Schweigen der Lämmer, French Connection, Brügge sehen und sterben, Chinatown, Mord im Orientexpress, Scarface, True Romance, Inspector Clouseau, die Macht und ihr Preis, Hände über der Stadt, Kap der Angst, der Name der Rose, der eiskalte Engel, Road to Perdition, Verblendung, Bonnie and Clyde, die Brücke, Fargo oder 7 Psychos“ und viele, viele mehr. Zugegeben, die meisten wurden als Kinofilme gedreht, aber das heißt nicht, dass deutsche Regisseure nicht in der Lage wären, hervorragende Krimis zu drehen. Ich brauche nur Dominik Graf zu nennen oder Tom Tykwer, der mit „Das Parfüm“ sogar eine ausgesprochen gute Literaturverfilmung auf die Beine gestellt hat. Im Fernsehen gab es Serien und Fernsehfilme im Krimiformat, die das Prädikat gut bis besonders wertvoll verdienen. „Kriminaldauerdienst, im Angesicht des Verbrechens, der letzte Zeuge, der Pass, Babylon Berlin, Verbrechen nach Ferdinand von Schirach“ zum einem und „
Toter Mann“ von Christian Petzold, „das Urteil“ von Oliver Hirschbiegel, „Duell in der Nacht“ von Matti Geschonek, „die fremde Frau“ von Matthias Glasner“ zum anderen. Genug des Namedroppings, ich weiche vom Kern meiner Intentionen und Bewertungen unserer Lebenswirklichkeit vor der Glotze ab. Gut das es Netflix gibt und Prime, aber da werden alle in den nächsten Jahren eine Rationierung im Streamen erleben, weil sich diese Art zu vergnügen oder den Horizont zu erweitern, durch die Speicherbeanspruchung der riesigen Serverfarmen viel zu viel Energie frisst. Aber wer ehrlich ist und ein wenig von Cinema versteht, sieht auch, dass weit über die Hälfte des Streaming-Angebotes nichts taugt oder gerade mal als Einschlafhilfe einzuschalten ist. Gut, dass es arte gibt, da findet man sehr schnell alles, was Klasse hat. Die ARD bemüht sich wenigstens.

Wenn Kriminalpolizisten gefragt werden, wie realistisch diese Inflation der Krimis einherkommen, fällt die Bilanz ernüchternd bis grottenschlecht aus und werden vor allem unterhalb jeglicher Wirklichkeitsgrenzen beurteilt. Die Gleichstellungs- und Genderdebatte sorgte zudem dafür, dass die Ermittler immer weiblicher wurden bis sogar vollständig weibliche Teams auf Verbrecherjagd gingen. Das erscheint nur gerecht zu sein, aber ob dadurch ein Krimi besser inszeniert wird, ist fraglich. Die Komissarinnen sind jung, attraktiv und mit allen Wasser gewaschen, wenn es darum geht, komplizierte Sachverhalte zuschauergerecht aufzuklären, auch wenn es bisweilen so aussieht, als würde der Drebuchschreiber oder die Drehbuchschreiberin in märchenhaften Gefilden gunterwegs gewesen sein. Viele Dialoge kommen so inhaltsleer einher, wie die Darstellerinen piekfein und perfekt geschminkt skeptisch in die Kamera linsen. Die Bösewichte erkennt man schnell, da spart das Casting nicht mit fiesen Unsympathen der unteren Kategorie, die aber immer noch so künstlich ausstaffiert ihre Rollen darstellen, dass man die Überstunden der Visagistinnen erahnen kann. Die Wirklichkeit sieht aber völlig anders aus, denn die bösen Buben und Mädels sehen oft grundehrlich aus und oft scheint es, dass sie kein Wässerchen trüben könnten. Wer das nicht glaubt, sollte sich die  Wirtschaftsprozesse gegen Audi, wirecard und Co ins Gedächtnis rufen. Zu Beginn eines jeden deutsch produzierten und realisierten Krimis ist eins gewiss, die Polizisten finden jeden Täter und lösen die Fälle nach anfänglichen Schwierigkeit (aus dramaturgischen Gründen) mit DNA, Spusi, Hacking und Bravour.
Bei Tatorten sterben hin und wieder, aber selten, die Staatsbeamtinnen der Gesellschaftssicherheit. Wer sich aber die Mühe macht, hinter die Kulissen zu blicken, erfährt sehr schnell, dass die Darsteller oder Darstellerinnen entweder keinen Bock mehr haben, sich ein anderes, möglicherweise lukrativeres Engagement geangelt haben oder schlichtweg aufhören wollen, weil ihr Image zu sehr auf die Rolle fixiert ist und für weitere Aufgaben schlechte Voraussetzungen generiert. Die Inszenierungen der finalen Abgänge werden im besten Fall herzzerreißend inszeniert, dramatisch und sehr bewegend. Im Polizeiruf war der Abgang eines der besten Komissardarsteller Charly Hübener wenigstens so schön absurd, weil er sich mit seinem Auto in Richtung Sibirien verabschiedete, obwohl er die große Liebe seiner Kompagneuse verlassen musste.
Der Polizeiruf 110, der ursprünglich in der DDR entwickelt wurde, erlebte eine grandiose Renaissance in den 90er Jahren und bot schnell eine qualitative Verbesserung zu den inzwischen öden, langatmigen oder albernen Tatorten aus München, Köln, Hamburg oder Münster, indem sich die Macher in inszenatorisches Neuland begaben und mit hervorragenden Schauspielerinnen und eher glaubwürdigeren Drehbüchern aufwarteten. Rostock (Sarau und Hübner, München (Verena Altenberger, Matthias Brandt, Brandenburg (Simon und Gregorowicz) brachten hin und wieder echte Highlights und die Schauspielkunst der Darsteller war süchtig machend. Aber neben all den genannten Krimiversuchen gibt es die Vorabendkrimis, denen ich aus nachvollziehbaren Gründen keine Kommentare widme, weil einmal gesehen, nie wieder getan. Da werden die Zuschauer zwischen Abendessen und Tagesschau dermaßen mit grotesken Videos traktiert, dass Zuschauer sie lediglich als Überbrückungszeit nutzen, um sich später über die 90 Minüter der vielen SoKos und europäischen Metropolschmonzetten zwischen Lissabon und Athen müde zu glotzen.
Und all diese Machwerke der unteren Reizschwelle werden in den Sommermonaten bis zum Erbrechen wiederholt. An manchen Abenden werden bei einigen dritten Programmen bis zu drei Tatorte aus fernen Tagen durch den Äther gejagt. Aber auch alles andere wird wiederholt wie die sogenannten SpielfilmDokus mit Schauspielsequenzen über Ereignisse der Weltgeschichte  oder die minutiöse Nachbetrachtung der gesamten 12 Jahre Naziterrorherrschaft. Zeitlich versetzt auf allen Sendern des ÖRR zwischen Bremen und München und auf ZDF Info, Neo oder Phoenix. Dabei sendet Phoenix selbst in der Sommerpause des Parlaments immer wieder einmal gute Dokumentationen über politische Kultur, politische Affären oder politische Zukunftsforschung. Arte und Phoenix bedeuten für mich zu jeder Jahreszeit gutes Futter für meine Hirnareale, die ich herne nach 22 Uhr nutze. Samstage und Sonntage sind flimmernde Sperrmülltage, wenn zufällig keine Sportsendungen das Herz höher schlagen lassen, die in der Ödnis des Überdrusses und der absoluten Langeweile nur noch Unmut erzeugen.
Leider gehen die Bundesligaspiele und -rinnen Anfang Juli auch in die Ferien und die Kicker und -innen bevölkern die Jetsetoasen dieser Welt zwischen Algarve und Malediven.
Tour de France und Leichtathletik versprechen Rettung und bringen Schwung in die Sommerlöcher, auch wenn die Kommentare der Fernsehmoderatoren aus dem Off leichte Mordgedanken wecken. Besonders der ARD- Alleswissenschwurbler Naß triggert sofort die Nerven und die Finger suchen die Tonaustaste auf der Fernbedienung. Dieses Jahr rettet die Fußballweltmeisterschaft der Frauen den Sommer und wird voraussichtlich die höchsten Zuschauerquoten erreichen.
Dafür regnet es seit 14 Tagen und eine Ende ist laut Wetterbericht der formidabel gealterten Claudia Kleinert und der Herren Schwanke und Plöger nicht in Sicht. Muss ich also weiterschreiben, anstatt Petanque zu spielen oder in Biergärten herumzuflazen. Die Sonntage  weisen zumindest für mich mit „Sternstunden der Philosophie“ und des Presseclubs zwei Highlights auf, allerdings ist das Kontrastprogramm, vor allem im ZDF zum Auswandern, wenn der Fernsehgarten seine Höllentore öffnet und all die Zombies deutschen Schlagerträllerns die Zuschauer zu spastischen Armbewegungen animiert. Das ist nun auch vorbei. Südkoreas KungFu-Fußballfrauschaft zeigt, was Kämpfen bedeutet und wie man hundertmal durchgespielte Strategien in sich zusammenbrechen lässt. Diese deutsche Trainerin scheint bei aller Sympathie und Sachverstand keine Turniertrainerin zu sein. Denn in einem Turnier offenbaren sich die Zufalls- und Physisschwächen im Frauenfußball, weil den Deutschen Mut, Zweikampfstärke und Leidenschaft fehlt, anstatt hundertmal den Ball kreiseln zu lassen.
Sonntag Nachmittag ist nur erwähnenswert, weil die Programmmacher die Chuzpe haben, ein Mischmasch aus Kitsch, Wohlfühlunderground und zweitklassigen Tiersendungen zu platzieren, Sendungen, die natürlich ein bestimmtes Publikum über 50 Jahren in Verzückung setzen können. Am Vorabend werden die ominösen Sommerinterviews mit sogenannten politischen Schwergewichten präsentiert, die nichts anderes sind als das bekannte Spiel: Journalisten fragen oder vorformulieren Antworten und Politikerinnen antworten trotzdem nicht. Da freut es einen politisch interessierten Trübsalbläser wie mich, wenn der wichtig tuende Mopedrocker aus Brilon den Versuch wagt, die AfD salonfähig zu machen und mit bramassierenden Knurren die virtuelle Brandmauer in verklausulierten Antworten einreißen möchte. Tageschau, Tatort oder Polizeiruf, aber alles Wiederholungen und dann zum x-ten Mal schwedische Strandkrimis mit superschlauen Hausfraukomissaren lassen schon die Augen zufallen und den Kühlschrank leeren. Mit Schaudern und Missbehagen rufe ich alle Programmdirektoren auf, alle zahlenden Zuschauer nicht durch gruftige Sendungen, die hauptsächlichn für Boomer und Silberrücken gedacht sind, zu vergraulen. Denn das ist schon seit einiger Zeit gewiss, auch diese Gruppe leistet sich Netflix, Sky und Prime und die Jüngeren sind ohnehin schon lange von all den unterschiedlich inszenierten Serien eingefangen worden. ZDF will in einer groß angelegten Zuschauerbefragung herausbekommen, was sich denn der geneiste gebührenzahler eigentlich wünscht. Ich hoffe, dass es viele Menschen gibt, die dem Mainzer Spektakeltheater die dunkelrote bis schwarze Karte zeigen. Obwohl, schwarz sind die Mainzelmacher ja seit Beginn ihrer Existenz. Kohlrübenschwarz und auch rosa aquarelliert.

 

W.N. 3. August 2023 Köln