Nachdem ich vorgestern behauptete, dass Zlatan im Balkan geboren wurde, belehrte mich ein Blick in wikipedia, dass er in Malmö im Ghetto Rosengard auf die Welt kam und außerordentlich stolz darauf ist, sich von ganz unten nach ganz oben durchgefummelt zu haben. Das ist ihm wahrlich gelungen und in Schweden nennen ihn eingefleischte Fußballfans „Ibrikadabri“, dem ich nur zustimmen kann.
Es ist erstaunlich, dass auch in Schweden immer wieder Weltklasse-Sporttalente heranwachsen wie zum Beispiel Björn Borg oder Ingemar Stenmark oder Skilangläufer, die ich nicht kenne, deren Nachnamen aber alle auf …son enden. Das Land strengt sich an und es liegt sicherlich auch einem durchdachten Gesellschaftssystem, das aber leider auch deutliche Unterschiede zwischen denen da oben und denen da unten wie Segregation entstehen ließ.
Fußball ist erst einmal Nebensache, denn wir sind schließlich nicht zum Vergnügen hier. Warum soll ich mir Rumpelfußball antun und in meinem Hirn die Langeweile unter einem ewigen Sieganwärter aus München entstehen lassen. Obwohl ich auf Union Berlin oder besser Pankow in dieser Saison gespannt bin. Das ging gegen Leipzig leider schief, den Brausespielern sind wohl Flügel verliehen worden.
Deshalb verließen wir vorgestern Morgen frohgemut das Haus, weil ich nach einem Blick zum Himmel der Meinung war, das Wetter könne besser werden. Es war zwar frisch und der Himmel verhielt sich im Großen und Ganzen bedeckt, was jede Vorhersagen schwierig erscheinen ließ.
Weiß jemand, warum so viele jüngere Menschenweiße Turnschuhe tragen? Kann es sein, dass in China sämtliche Färbungsmittel ausgegangen sind und nur noch jede Menge Weißfarbe aus jeglichen chemischen Urstoffen übrig geblieben ist, weil die Produktion der allgemeinen Weißwascherei übertrieben hatte? Oder wollen die Träger damit symbolisieren, dass sie immer und überall ein sauberes Standing vorzeigen wollen. Vielleicht geht es aber nur darum, erkennungsrelevant als Saubermenschen erkannt zu werden, um allen eventuellen Verdächtigungen unmissverständlich zu entgegnen, dass ein weißer Schuh auf eine reine Weste schließen lässt.
Heute sah ich viele Ohrenelefanten, denen kleine Stoßzähne aus den Ohrmuscheln wuchsen, während sie ununterbrochen mit irgendeinem Nichtanwesenden plapperten. In Schweden gibt es viel mehr dieser Exemplare als bei uns in Deutschland, was vielleicht damit zusammenhängt, dass es 5G flächendeckend gibt und die digitale Kommunikation wunderbar funktioniert. Zumindest in Stockholm ist das so, nehme ich an. Ob es in Bullerbü auch so ist, müsste Pippi Langstrumpf wissen, es ist nur fraglich, ob sie gefunden werden kann.
Als Landkartenfreak dachte ich immer, dass Stockholm flach wie ein Pfannekuchen sei, aber es stimmt nicht, auch wenn die Höhendifferenzen zum Meeresspiegel keine hundert Meter betragen. Felsen, fast alle Inseln sind auf Felsen errichtet und die bestehen aus Granit oder Gneis, eine der härtesten Gesteinsarten, die es in Europa gibt. Bevor Alfred Nobel das Dynamit erfand oder die brisante Mischung entdeckte, muss es eine arge Schinderei gewesen sein, die Kirchen, Paläste und Häuser so aus dem Felsen herauszuhauen und zu verankern, dass sie für ewig und immer mit ihrem Fundament verbunden bleiben konnten.
Aber mit dem Sprengstoff konnte die Stadt auch dort bauen, wo es vorher laut Statikern, Ingenieuren und Architekten unmöglich erschien. Überall sieht Mensch Tunnellöcher in den Fels gesprengt, wobei ich bisher nicht herausfinden konnte, wofür die Tunnel oder Stollen vorgesehen waren. Einige sind richtige Tunnel, wobei der Fels völlig durchstochen wurde, bei anderen muss ich rätseln. Inzwischen weiß ich nach einer Autofahrt von uns zu meinem Sohn und seiner Familie, dass man in 15 Minuten durch lange Tunnel von Stureby nach Kvarnholmen kommen kann.
Für Weinkeller wurden die Löcher wahrscheinlich nicht in den harten Stein getrieben, weil alle Alkoholika über 3,5 Prozent nur in sogenannten Spritgeschäften oder Systembolagets zu bekommen sind. Sicherlich haben die Könige und Fürsten unter ihren Palästen tiefe Keller mit sehr viel Menschenkraft heraushacken lassen, denn was ist ein König, wenn er einem anderen König, Fürst oder einem hochstehenden Kaufmann keinen guten Veuve Cliquot, Chateau Lafitte, Cognac oder Pouilly-Fumé anbieten kann. Das wissen die Adligen aller Länder, dass sich ohne entsprechende Bestechungsgetränke weder Politik, noch Geschäfte arrangieren lassen. Nicht zu vergessen sind die rauschenden Feste und Bälle, bei denen Frohsinn, Ausgelassenheit, Freude und viel Kommunikation nicht nur angesagt, sondern auch verpflichtend war. Glaubt irgendjemand, dass bei einer dermaßen exaltierten Atmosphäre mit Musik, Tanz, Buffet und Fingerhäppchen lediglich Limonade, Wasser oder lasche Bierplörre gereicht wurde? Ich war nicht dabei und als Zeugen können nur leere Flaschen oder betrunken aufgeschriebene Witze oder Zoten herhalten. Die Kosten und Daten werden aber sicherlich in den Geschäftsbüchern der Schlossverwalter zu finden sein, wenn Mensch einmal die richtige Gelegenheit bekommt, in den verstaubten Archiven herumzuschnüffeln. Vielleicht finde ich Spuren vergessener Räusche in einem der historischen Museen, die ich vielleicht noch besuchen werde.
Die Alkoholgeschäfte, die von Staatswegen ihre Geschäftstätigkeit dezent im Wort System und Bolaget verstecken, öffnen zu festen Zeiten und schließen spätestens um 18 Uhr, wie ich vernommen habe. Das zusammengesetzte Wort bedeutet nüchtern Systemgeschäft oder Systemgesellschaft, was eben wiederum alles bedeuten könnte, Vielleicht gibt es für Pornoschmuddelkram oder Cannabis auch derartige Institutionen, obwohl ich glaube, dass Schweden in diesen Themen schon seit Jahrzehnten viel freizügiger umging, als wir uns das hätten träumen lassen. Vor 1995, dem Stichjahr der EU-Aufnahme, fuhren viele junge deutsche Männer mit vielen Raviolidosen, Schokolade, Fleischwürsten und Schnaps in das Land des Mittsommers, weil es immer hieß, dass sich die jungen Schwedinnen nicht so zieren würden wie ihre deutschen Geschlechtsgenossinen. Das ist (für alle, die jetzt Böses denken) leider kein Sexismus, sondern das Ergebnis von ausführlichen Recherchen über das Land in 60er, 70er und 80er Jahren.
Tatsache ist aber auch, dass Schweden bis 1995 an Lebensmittelverknappung und hohen Alkoholpreisen litt, was sich bis auf den Alkohol nur unwesentlich geändert hat. Bei Einkäufen im Coop oder bei LIDL erfährt jeder, was die Krone wert ist, weil Preise von 100 Kronen heute mit 1,12 umgerecht werden. Ein Kotelett kann durchaus 120 Kronen kosten und wenn man dann dazu ein Leichtbier trinken will, kommen noch einmal bis zu 40 Kronen hinzu.
Ob es sich aber lohnt, anstatt 1 Euro 20 gleich 4 oder 5 Euro für eine Flasche Staropramen oder Carlsberg zu kaufen, ist stark zu bezweifeln. Ein Wein, der bei ALDI vielleicht für 6 Euro feilgeboten wird, kann hier im Systemalkoholbusiness gut und gerne das Dreifache kosten. Mich wundert nur, dass in vielen schwedischen Filmen der Noir- und Schmonzesproduktionen recht viel gesüffelt wird und die Mär die Rund macht, dass viele Schweden zu Quartalsaufexzessen neigen würden, was ich allerdings angesichts der rigiden Pseudoprohibition gut verstehen kann. Wer einmal mit Schweden in Palma oder Los Christianos trinkend zu tun hatte, verdrehte staunend die Augen, wie schwedische Touristen den Sprit literweise in sich hineinlaufen ließen.
Roy Anderson, für mich nach Ingmar Bergmann und Bille August der tief- und hintergründigste Regisseur, zeigt in seinen Filmen wenig Trinkgelage oder Saufszenen, aber als Zuschauer bin ich immer so begeistert, dass ich nach dem Genuss eines seiner Filme geneigt sein könnte, diese Absurditäten des schwedischen Alltags, mit einer Buddel Nordisk Gin oder Absolut unter permanenten Lachsalven den Garaus zu machen. Was ich selbstverständlich nicht mache, weil ich dieser Art Selbsttäuschung keine Bedeutung beimesse.
Wer dessen Filme noch nicht kennt, muss sich unbedingt vier der Streifen besorgen und anschauen. Bei uns sind die Filme eher selten zu sehen, weil sich die Macher und Programmgestalter des Fernsehens nicht trauen, ihren Zuschauern so etwas Einzigartiges zu servieren: Songs from the second floor, Das jüngste Gewitter, Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach, Über die Unendlichkeit. Auf nachhaltiges Schmunzeln und Träumen gebe ich einigermaßen aufgeschlossenen Menschen Garantie.
In Deutschland lechzen einige oder mehr Leute nach Suspensethrillern mit viel Blut, sexuellen Missetaten und nachhaltig traumatisierten Mördern, die in ihrer Jugend häufig im Keller eingesperrt wurden oder irgendwie pervers von Eltern, Verwandten, Erziehern und auch Priestern jeglicher Ideologie misshandelt wurden. Verblendung, Verdammnis, Vergebung zum Beispiel, in denen die androgyne Schauspielerin Naomi Rapace als Rächerin die aberwitzigsten Schlitz-, Grill- und Bondagemethoden anwendet, um Schuld und Sühne walten zu lassen. Vor einigen Jahren lief eine Serie im TV, die „Die Brücke“ getauft wurde, in der abartige Verbrechen auf oder neben der Brücke über den Sund dermaßen abscheulich zur Schau gestellt wurden, dass sensible Menschen daraufhin nicht mehr mit ihrem Leben zurechtkamen oder im Dunkeln nicht mehr vor die Tür gingen. Die Regisseure konnten sich noch so kryptisch anstrengen, um die Suche nach dem oder den Täter(n) so zu verschleiern, dass sie der Meinung waren, das auflösende Aha-Erlebnis der Erleichterung erst in der letzten Folge zu spüren. Pech gehabt, jeder logisch und kreativ denkende Mensch, der 1 und 1 und 1 und Unendlich zusammenzählen konnte, durchblickte den Plot schon in relativ kurzer Zeit.
Da lobe ich mir die Krimis des Autorenpaares Sjöwal-Wahlöö, die zu den besten Krimiautoren in der Geschichte des Genres überhaupt zählen. 1975 und später las ich ihre bei rororo erschienenen Texte und war stets begeistert. Hakan Nesser gehört sicherlich auch zu den besseren Autoren, aber mich interessiert der schwedische Film eher rudimentär.
Dänische Delikatessen und dänische Filme gehören in allen Kategorien zum Besten, was in Europa auf die Leinwände kommt. Allein „Rausch“, „Adams Äpfel“, „Die Jagd“, „Men and Chicken“ oder „Helden der Wahrscheinlichkeit“ sind kinematographische Perlen, die jeder Filmfan gesehen haben sollte. Und immer ist Mads Mikkelsen im Spiel. Der Schauspieler und ausgebildete Balletttänzer Mads Mikkelsen bedeutet für das Europäische Kino und weit darüber hinaus für das Weltkino eine der größten Bereicherungen seit ungefähr 30 Jahren. Ich werde mich bei einem weiteren Blog mit den Unterschieden zwischen dänischer und schwedischer Lebensweise und Kultur beschäftigen.
Vorgestern sind wir durch das Inselviertel Södermalm gestreift, weil wir uns dort mit den Kindern und Kindeskindern getroffen haben. Die ehemalige proletarisch geprägte Insel ist inzwischen gentrifiziert bietet gerade jungen und unternehmenslustigen Menschen sehr viele Abwechslungen in Bistros, Restaurangs und Bars. Aber es war und blieb feuchtkalt, denn für meine Verhältnisse sind Wind, Earth und Fire bei 15 Grad und weniger nur als ungemütlich zu bezeichnen. Bei diesen Verhältnissen reizt es mich nicht so sehr durch eine fremde Stadt zu streifen, zumal das Fotografielicht kaum gute Belichtungen erlaubt. Aber nach sieben Stunden, von denen wir uns ungefähr vier draußen aufgehalten haben, war ich innerlich durchgefroren, weil ich mich morgens viel zu leicht angezogen habe. Eine Fehleinschätzung, die mir in der Nacht Halsschmerzen bescherten.
Als wir nachhause in Stureby Bjulvägen fuhren, war es schon so kalt, dass ich froh war, endlich wieder in unserer Unterkunft zu sein. Nach einem Riesenberg Spaghetti Aioli oder alia olio, den ich viel zu schnell vertilgt hatte, bekam ich Vollgefühl mit Schnappatmung, was sich aber nach wenigen Minuten wieder legte.
Vorher bei LIDL, von außen ein großes Lagerhaus und innen nur mit einem spärlichen Sortiment ausgestattet, grollte in mir wieder meine Schwedenaversion auf, die mich deutlich spüren ließ, dass diese schwedischen Menschen bezüglich Essen etwas unterbelichtet sein müssen, was aber im Reiseführer von Baedecker verneint wird, der die schwedische Haute Cuisine über den grünen Klee lobt. Wer das Geld hat und mal 1000 Euro an einem Abend ausgeben möchte, bitte schön, es sei ihr oder ihm gegönnt. Wie schon erwähnt trifft das nicht auf alle Klassen zu, denn ich kann mir nicht nicht vorstellen, dass sich Besserverdienende bei den Discountern mit Nahrung eindecken. es sei denn der Geiz oder Knausrigkeit stecken bei einigen in den Gliedern und Portemonnaies.
In Södermalm sah ich einige sehr gut sortierte Lebensmitteleinzelhändler oder Feinkostläden. Für alle anderen gibt es Tiefkühlkost, eigentümliche Getränke, Süßigkeiten, kaum Fisch, teures Fleisch, Milchprodukte und selbst das Angebot von Obst und Gemüse zeigte sich sehr überschaubar. Man sollte gute Augen haben, um die einzelnen Produkte zu identifizieren, denn die auf Schwedisch aufgedruckten Inhaltsangaben sagten nichts aus, lediglich Abbildungen brachten Aufklärung.
Gestern war ein gebrauchter Tag, auf den ich nicht näher eingehen werde, aber wie sagt schon das Lied von Dire Straits: Why worry, There should be laughter after pain, There should be sunshine after rain, These things have always been the same, So why worry now, Why worry now. Wolken ziehen und und Tage ziehen und ich ziehe gleich am Draht.