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Deutsche und Italiener, eine ganz besondere Tragikomödie

Italienkenner oder gar -experten nennen sich viele, manche meinen sogar, wenn sie jedes Jahr oder vielleicht hin und wieder nach Italien fahren, nach Verona, Rimini, Capri oder San Remo; Rom; Venedig und Florenz mehrfach besucht haben und mindestens ein halbes Dutzend Reiseführer im häuslichen Bücherschrank stehen haben, dass sie zumindest sehr gut informierte Laienexperten sind. Seit Goethes italienischer Reise und einer im 19. Jahrhundert entstandenen launischen Modeerscheinung vieler betuchter Engländer und einiger Deutscher und Franzosen, dass eine Italienreise unbedingtes „must be“ sei, entwickelte sich der Besuch des südlichsten Landes Europas zu einer Unbedingtheit, die wir ansonsten nur von den Alpen, dem Meer, Paris, Hohenschwanstein und dem Disneyland kennen.

Vor der nach dem zweiten Weltkrieg proklamierten deutsch-französischen Freundschaft, gab es immer wieder ebenso eine deutsch-italienische Zweisamkeit, die aber selten in einer auf Augenhöhe miteinander verbundenen Balance zu bewerten sein kann. Geschichtlich sind die Wurzeln im Heiligen römischen Reich deutscher Nation zu finden, man könnte sagen, mit Carlo Magno fing alles an. Wer die weiteren Verläufe dieser Kollaborationen, Zwangsheiraten oder vielleicht auch Kohabitationen erfahren möchte, muss bei den anstehenden Führungen in Palermo genau aufpassen, denn gerade Palermo muss man auch als besonderen Akkumulationsort der Geschichte Europas betrachten. Wenn man nun einen Sprung ins 19. Jahrhundert vornimmt, stößt man schnell auf Cavour, Garibaldi und das Risorgimento, also die Einigung der unzähligen Fürsten- und Herzogtümer, wie der alles überragenden Metropole Roma, deren Geschichte uns von Romulus und Remus bis Sophia Loren schon zu Schulzeiten eingepaukt wurde. Der in Nizza geborene Garibaldi wird in manchen Enzyklopädien als Guerillakämpfer bezeichnet, was dem heutigen Begriff des Guerillero, wie Che oder Ho es waren, eine ganze andere Bedeutung verleiht. Rote Hemden in einem Guerillakrieg konterkarrieren diesen. Garibaldi landete 1859 in Marsala an der Westküste Siziliens und zog mit seinen Rothemden, manche sprechen von 3000 Kämpfern, durch Sizilien und schlug nach dieser Tour de Force schon auf dem Festland angekommen die überlegene Armee des in jener Zeit herrschenden Königs von Neapel in der Schlacht bei Volturno so entscheidend, so dass die neapolitanische Vorherrschaft gebrochen war. Er vereinbarte mit dem König Victor-Emanuel II von Piemont-Sardinien, dass Italien von nun vereint werden müsste und erst nachdem die Nationalisten und die französischen Schutztruppen unter Napoleon III, die Rom nebst Vatikan unter Kontrolle hatten, 1870 geschlagen waren, begann die eigentliche Einigung Italiens. Die Befreiungskriege zogen sich von 1860 bis 1865 hin, allerdings fand sie mit der Einnahme Roms erst 1870 ihr endgültiges Finale. Garibaldi wird bis heute und wahrscheinlich bis in alle Ewigkeit als der herausragende Held der italienischen Einheit gefeiert. In den Wirren der Kriege wie auch folgender Kriege gegen Napoleon III und auch gegen die Österreicher, respektive die KuK-Monarchie, standen immer wieder deutsche Militärs entweder auf Seiten des Freiheitshelden oder sie waren seine erbitterten Gegner. Einzelheiten dazu können in jedem einschlägigen Geschichtsbuch oder bei wikipedia nachgelesen werden.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlebte die deutsch-italienische Beziehung eine freundschaftliche und ökonomisch fruchtbare Beziehung. Bis die Mittelmächte 1914, allen voran das Deutsche Reich, nach dem dilletantischen Attentat in Sarajewo den 1. Weltkrieg anzettelten, der in Europa im Prinzip zwar geografisch punktuell geführt wurde, die Schlachtfelder lagen in Flandern und Nordfrankreich, Südtirol, Weissrussland, Finnland und einigen Gebiete des Balkan, aber kosteten 20 Millionen Menschenleben (21 Millionen kamen als Versehrte heim). Deshalb heisst er in Frankreich und auch in Italien der „große Krieg“ und nicht wie bei uns der „1. Weltkrieg“, den Unterschied muss man aus der Begrifflichkeit exakt herausfiltern, um den Sinn zu verstehen.

Nach der Kriegserklärung und dem daraus resultierenden Ausbruch des Krieges befand sich Italien im Dreierbündnis mit Deutschland und Österreich. Italien blieb zunächst neutral, versprach es sich doch je nach Bündnisbeteiligung und -ausgang der Kriegshandlungen eventuelle Landgewinne im Trentino und in Triest, beide Gebiete standen unter der Herrschaft des Habsburger Reiches. Zunächst hielt man sich aus genannten Gründen zurück, um dann 1915 der Entente aus England, Frankreich und Russland beizutreten. In den vorangegangenen blutigen Kolonialkriegen in Eritrea, Somalia und in Libyen (1880-1912) gründete Italien zwar eigene Kolonien, bezahlte aber durch die hohen Kriegskosten und einem damit verbundenem Spardiktat, einen hohen Preis mit schweren sozialen Unruhen und finanziellen und politischen Krisen im Inland. Italien, so schien es, pokerte oft sehr hoch und verlor letztendlich schmälich, was sich in der späteren Zukunft des Landes noch extremer abzeichnen wird.

Der Alpenkrieg im unzugänglichen Gelände des Hochgebirges fand als Stellungskrieg statt, der auf beiden Seiten 1 Millionen tote Soldaten forderte. Erfroren oder erschossen, abgestürzt oder verhungert. Erst durch die Unterstützung der Briten und Amerikaner (siehe Hemingway – Winner take nothing, Farewell to arms, In einem anderen Land) konnten die österreichischen Truppen geschlagen und zur Kapitulation gezwungen werden. Italien gehörte 1918 zu den Kriegsgewinnlern und bekam Südtirol, das Trentino, Triest und Istrien zugesprochen, was angesichts der kulturellen und sprachlichen Eigenheiten dieser Länder ein überaus großes und gefährliches Geschenk war. Nach dem „Großen Krieg“ gingen die Siegermächte, allen voran Frankreich, nicht zimperlich mit den Besiegten um, obwohl eigentlich alle Länder ausgeblutet und am Boden zerstört waren. Elsass-Lothringen, die Besetzung des Rhein-Ruhrdistriktes, die Zersplitterung der österreichisch-ungarischen Monarchie und eine unnötige totale Demütigung der Unterlegenen, die zwangsläufig zum nächsten Konflikt, dem „Zweiten Weltkrieg“ führte. Die Entstehung des Faschismus in Italien und Deutschland ist die unmittelbare Folge dieser Siegerpolitik (wie auch der hirnrissige Revanchismus der Besiegten). Der Nahe Osten, der durch die Sykes-Picot-Landaufteilungen willkürlich fragmentiert wurde, leidet heute noch an den Folgen dieser Reissbrettwillkür in einem fast 100 jährigen Kriegszustand. Nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches und der Gründung einer ersten wirklich demokratischen Republik veränderte sich der geschlagene neue Staat „Deutsches Reich“ rigoros. Die Zeit der Weimarer Republik mit ihren vielen politischen Wirren, Intrigen, ökonomischen Restriktionen, der Spaltung der Linken in SPD und Kommunisten, und den dauernden Regierungsumbildungen destabilisierten das Land in erschreckender Weise, so dass die reaktionären Revanchisten allmählich die Oberhand gewannen. Das Entstehen der Dolchstosslegende, der Bankencrash oder die Massenarbeitslosigkeit bereitete dann dem Nationalsozialismus mit Hitler, seinen willigen Helfershelfern aus der Großindustrie und der marodierenden SA im gemeinsamen Marsch an die Macht einen fruchtbaren Boden, dessen entsetzliche Saat aber erst 10 Jahre später aufgehen sollte,

Anders der bei Como geborene Benito Mussolini, ein mäßig begabter Journalist, der zunächst für eine sozialistische Zeitung arbeitete, aber wegen seiner nationalistischen Ideen und Visionen sehr bald aus der PSI ausgeschlossen wurde. Die faschistische Bewegung war 1919 aus der italienischen Frontkämpfervereinigung „Fasci italiani di combattimento“ (deutsch: Italienische Kampfbünde) entstanden, die 1921 als reguläre politische Partei auftrat, der Partito Nazionale Fascista. Nach dem Marsch auf Rom 1922 verbündeten sich die Faschisten mit Nationalisten, Konservativen und erzreligiösen Klerikalen und bildeten eine Koalitionsregierung, an deren Spitze Mussolini vom König Victor-Emanuele III als Ministerpräsident berufen wurde. Es folgten 20 Jahre Faschismus („ventennio fascista“) und eine radikale Diktatur der sogenannten „Schwarzhemden“, die zwar auch eine Schreckensherrschaft über Italien brachten, aber im Gegensatz zum deutschen Nationalsozialismus „eher gemäßigter“ auftraten, auch wenn jegliche Opposition gnadenlos unterdrückt oder eliminiert wurde. Keineswegs sind die Morde und Foltermethoden wie auch die Juden- und Rassenverfolgungen irgendwie zu entschuldigen, aber die italienische Seele war seit jeher anders gestrickt und Widerstand, libertäres Denken wie Anarchismus gehörte zum Charakter des Italieners. (Carlo Levi – „Christus kam nur bis Eboli“ oder „Il Conformista“ und „1900“ von Bernardo Bertolucci). Anfangs bewunderte Hitler den Duce, wie dieser sich selbstherrlich nannte, aber später, als Italien unwägbare Kriege in Nordafrika, im Balkan und in Griechenland begann und die Stabilität im Innern durch die Partisanenbewegung und eine hohe Staatsverschuldung immer desolater wurde, schlug diese Haltung in Verachtung und Häme um. Hitler nahm sich allerdings lange, wahrscheinlich bis zu Mussolinis Deutschlandbesuch 1937, die Methoden des Duce als Vorbild und schließlich bedeutete Führer auch nichts anderes als Duce. Die Achse Berlin – Rom, die später mit Japan erweitert wurde, lief anfangs wie geschmiert, erst als Hitler 1939 Polen überfiel und fast ganz Europa unterjochte begann es auch in der Zuneigung der beiden größenwahnsinnigen Heldendarsteller zu kriseln. Schon im Spanischen Bürgerkrieg entschieden ihre Truppen und vor allem die Luftstreitkräfte die Auseinandersetzung zwischen den Putschisten unter Franco und der legalen Republik Spanien zu Gunsten des dritten faschistischen Selbstdarstellers Franco. In Nordafrika kämpften Deutsche und Italiener Seite an Seite und verloren gegen die britischen Truppen bei El Alamein, auch wenn bei uns immer noch der General Rommel fälschlicherweise als soldatischer Ehrenmann betitelt wird. Was für die Deutschen Rommel war, der im Zusammenhang mit dem 20. Juli zum Freitod gezwungen wurde, war in Italien der Luftwaffenchef Italo Balbo, der den Duce wegen des Kriegseintritts mit Deutschland offen kritisierte. Balbo wurde nach Libyen abgeschoben dort ereilte ihn unter mysteriösen Umständen der Fliegertod. Beide Luftwaffen wurden übrigens während des Krieges immer mehr zu einer Ausfalltruppe mit Zersetzungserscheinungen und ein gewisser adipöser Feldmarschall wollte sogar Meier heissen, wenn ein feindliches Flugzeug deutsches Hoheitsgebiet antastete. Es meierte dann gewaltig. Nachdem die West-Alliierten 1943 in Sizilien gelandet waren, vollzog sich langsam aber stetig das Ende des Faschismus, der mit der Ermordung Mussolinis bei Mailand sein Ende fand. Dass es aber so lange gedauert hat, verdankt der italienische Faschismus den deutschen Truppen, hauptsächlich der Waffen SS, die hartnäckig jeden Meter italienischen Bodens verteidigten, während Mussolini in Teutonentreue durch eine SS-Spezialtruppe in einer Alpenfestung untergebracht wurde. Die Republik Salo, ein winziger Reststaat des Faschismus ist der unrühmliche Schlussakt der faschistischen Tragödie und Pasolinis Film „Salo“ zeigt die ganze Widerwärtigkeit deutsch-italienisch faschistischer Kumpanei. 

Nach 1945 lag Deutschland, vor allem seine Städte fast vollständig in Trümmern und wurde von den Alliierten in Zonen aufgeteilt und zunächst vollkommen entmündigt. Die nach den Nürnberger Prozessen einsetzende Entnazifizierung war zwar gut gemeint, aber um den Satellitenstaat der Westalliierten wieder aufzupeppeln, mussten Strukturen geschaffen werden, musste Entwicklungshilfe geleistet werden und vor allem musste die Judikative und Exekutive mit Deutschsprechenden besetzt werden. Da die demokratischen Mandatsträger schon in den 30er Jahren zahlreich ermordet, traumatisiert oder geflohen waren, griff man auf die angeblich „unverdächtigen“ Mitläufer und Halbnazis zurück. Es waren Bürgermeister, Polizei, Richter, Beamte, die die Entnazifizierung mit einem „Persilschein“ überstanden. Mit Hilfe der USA gab es 1949 die erste Wahl in der Westzone und damit begann langsam aber stetig die fast unglaubliche Zeit des Wirtschaftswunders. Spätestens mit dem Gewinn der Fußballweltmeisterschaft 1954 waren die geschlagenen Deutschen wieder wer und standen als „siegreiche, friedliche Deutsche“ wieder als mögliche Partner der westlichen Wertegemeinschaft. Es ging voran, die Wirtschaft brummte und wer geglaubt hatte, dass mit der Währungsreform und der Einführung der DM alle Deutschen an einem Tag gleich geworden waren, hatte sich mächtig getäuscht. Das alte Kapital lebte noch, wurde wieder frisch aufbereitet und nur so ist der Aufschwung mancher Industrieunternehmen zu erklären.

Italien indessen war als (Mit)Siegermacht vor andere Probleme gestellt. Der Faschismus war zwar besiegt, aber nur die Linke, entstanden aus dem Widerstand, sorgte dafür, dass die schlimmsten Verbrecher zur Verantwortung gezogen wurden. Unterschwellig lebte der Faschismus weiter, was die Gründung einer neofaschistischen Partei schon 1946 zur Folge hatte. In der Hauptstadt Rom, dem italienischen Machtzentrum, hatten linke Demokraten und Kommunisten, die als Partisanen gegen die deutschen Besatzer wie die italienische Faschisten gekämpft hatten, nur kurze Zeit Oberwasser. 1947 begann mit dem Präsidenten de Gasperi die 1. Republik Italiens, die bis 1993 währte und von den Konservativen und Christdemokraten nicht nur dominiert, sondern auch antidemokratisch unterwandert wurde.  

Die EWG wurde gegründet, die NATO entstand zwangsläufig als Verteidigungpakt im kalten Krieg der beiden Machtblöcke USA und Sowjetunion und in Italien machten es sich die Christdemokraten im Quirinale gemütlich. Prägende Figur dieser Partei war Andreotti, der mehrmals Ministerpräsident war und mit Mafia, Logen und anderen dubiosen Gruppierungen in Hinterzimmern paktierte. „Il Divo“ (Film von Paolo Sorrentino), wie er genannt wurde war unangreifbar und auch wenn mehrmals versucht wurde, seine Immunität als Abgeordneter aufzuheben, überlebte er all diese Angriffe auf seine Person unbeschadet. Lediglich einmal wurde er zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt, die aber wenig später vom Kassationsgericht wieder aufgehoben wurde. 

Inzwischen war Italien für die Deutschen zum Urlaubsland Nr. 1 geworden und so zogen die Touristenkarawanen über den Brenner, um an den Stränden der Adria in der Sonne zu liegen oder man besuchte die Städte Venedig, Florenz, Siena und Rom, die in ihrer alten architektonischen Pracht die Sehnsüchte der von den Traumata der erlittenen Stadtzerstörungen gebeutelten Deutschen erfüllten. Man spricht Deutsch, filmte Gerhard Polt und Conny Froeboss sang „Zwei kleine Italiener“.

1994 griff in Italien der angebliche Selfmademan und Baumogul wie Medienunternehmer Berlusconi nach der Macht und damit begann die „zweite Republik“. Berlusconi baute die Partei „Forza Italia“ auf, koalierte mit den rechten Nationalisten der Lega Nord wie auch der neofaschistischen Partei einer Mussolini-Enkelin. Die Berlusconi-Ära kann man in Italien und in Europa als unrühmliche Zeit der Demokratieverachtung und der Verflachung sämtlicher kulturell tradierter Sitten einteilen und die Auswirkungen seines Medienimperiums wirken heute noch nach. Man könnte von einer Gleichschaltung der Fernsehsender reden, wenn man es ganz böswillig formulierte, auf jeden Fall fiel der Journalismus auf das tiefste Niveau seiner ethischen und moralischen Verantwortung. Tapferen Widerstand leisteten nur die Zeitungen „La Republica“ und „La Stampa“. Das Fernsehen verwandelte sich ein eine Gehirnwäscheanstalt und diente nur noch den politischen, geschäftlichen und kulturellen Interessen des Consilieri Berlusconi. Inzwischen stürzte die wirtschaftliche Produktionskraft in den Keller und Italien begab sich von Jahr zu Jahr mehr in eine gefährliche Schuldenfalle, die sie nun in der sogenannten „Dritten Republik“ am liebsten durch die EU getilgt sehen würde. Wer glaubt, Italien sein ein vereinter Staat, übersieht den Graben zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden, der in den letzten fünfzig Jahren wirtschaftlich abgehängt wurde. Flossen Investitionen in den Süden, wanderten sie sehr schnell in die Taschen der Mafia, der Camorra oder der N´drangheta. Müllabfuhr, Bauwesen, Prostitution, Drogenhandel und Geldgeschäfte gehören zu den Hauptbetätigungsfeldern dieser kriminellen Vereinigungen und überall haben sie auch in der Politik ihre Hände im Spiel. Die Krakenarme dieser Banden reichen um den ganzen Globus und zusammen mit anderen regionalen Zusammenschlüssen wie den Yakuza in Japan, den Triaden in Hongkong, den wory-w-sakone in Russland und der Cosa Nostra in den USA scheffeln sie so viele Milliarden, welches die Bruttoinlandsprodukte vieler einzelner Länder erheblich übersteigt. Mit der Krise der lange Jahre regierenden Volksparteien in Europa, insbesondere in Frankreich, Spanien und Italien enstanden neue Bewegungen, die in Frankreich mit der Marginalisierung der Konservativen wie der Sozialisten mit der „en marche“ Bewegung von Emmanuel Macron seinen vorläufigen Höhepunkt fand. Aber bevor Macron auf den Plan trat, entstand in Italien die „Movimente Cinque Stelle“ des Fernsehkomikers Beppe Grillo, die bei den Wahlen in diesem Jahr die Mehrheit der Stimmen erreichten. Gegen jede politische Voraussage und vorher proklamierte programmatische Stellungnahmen schlossen sie sich mit den Rechtsnationalisten der Lega Nord des Matteo Salvini zusammen, um eine Regierungskoalition zu bilden. Was zunächst wie ein schlechter Witz klang, wurde bald ernst. Nachdem beide Partner sich geeinigt hatten und jeder von ihnen auf den Posten des Regierungschef verzichteten und lieber einen „neutralen“ politischen Aussenseiter zur Gallionsfigur ihrer utopischen Vorstellungen machen wollten, war das Dilemma perfekt. Seit gestern ist der erste Kandidat Conte aus dem Rennen, weil Staatspräsident Matarella unbedingt verhindern will, dass der konservative Europagegner Savona in der Regierung als Finanzminister aufgenommen wird. Das hat gute Gründe, denn Italien ist fest in die EU-Verträge eingebunden und ein Finanzminister, der auch den Euro abschaffen möchte, kann nicht im Sinne der italienischen Verfassung wie der europäischen Verträge sein. Sollte sich nichts bewegen, wird eine Übergangsregierung bis zu möglichen Neuwahlen ins Amt geführt. 

Was aber haben wir Deutschen mit der verworrenen Gemengelage in Italien zu tun? Deutschland wird von vielen Italienern als Hegemonialmacht in Europa verstanden und die wirtschaftliche Überlegenheit der Bundesrepublik, vor allem der enorme Exportüberschuss, macht nicht nur vielen Angst, sondern bedeutet auch die Forstsetzung eines wirtschaftlichen Ungleichgewichtes zwischen uns und anderen europäischen Ländern des Mittelmeerraums. Mit der schwarzen Null und dem rigorosen Nein zu Staatsanleihen oder Bonds, wie das auch immer bewertet werden mag, haben wir uns im Süden keine Freunde gemacht. Vor allem die M5S und die Lega haben immer darauf hingearbeitet und das öffentlich in Italien publiziert, dass sie nach einem Wahlsieg in Europa einen völlig neuen (Anti)Kurs einschlagen wollen, der die von ihnen bezeichnete Monopolstellung der Deutschen brechen soll.

Nachdem sich Griechenland aus der Austeritätsfalle wieder nach oben gearbeitet hat, was schwerwiegende Folgen innerhalb der Bevölkerung hatte – während die einen darbten, verschoben andere ihre Millionen in die Schweiz oder karibische Steuerparadiese – wir konnten das letztes Jahr in Athen sehr genau verfolgen, besteht jetzt die Gefahr, dass Italien mit seinen immensen Schuldenberg (2.250 Milliarden) der neue Patient der EU wird. Auch die Versuche, aus der EU auszutreten oder den Euro zu verlassen, sind nach der Koalition M5S und Lega virulent. Trotzdem lieben wir Italien und das „dolce far niente“ und immer wird es unser Arkadien bleiben.