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Vom Glück das rechte Licht zu erkennen.

Darum liebe ich das Mittelmeer, vielmehr die Küsten rund ums Mittelmeer, ohne Ausnahme, weil auch nach zwei Tagen Dauerregen und zwei Tagen dickster Nebelsuppe, man morgens aufwacht und der Himmel ist strahlend blau. Das Licht ergiesst sich an den Gestaden unserer immerwährenden Sehnsucht in einer Intensität, wie ich sie nirgends woanders kennengelernt habe.
Mit neunzehn Jahren weilte ich eine zeitlang in einem Atelierdorf in der Provence und sollte eigentlich möglichst viele Stunden mit der echten Lithografie auf Solnhofer Schiefer verbringen, um diese Technik zu erlernen, aber das Licht, es war auch Ende Oktober, Anfang November, vereitelte mit Vehemenz, dass ich die Zeit im Druckatelier verbrachte. Eine Lithografie habe ich fertiggestellt, eine weitere angefangen, aber die Kommilitonen-innen und ich verbrachten tagsüber viel Zeit mit Karten- oder Boulespielen, Skizzen Zeichen an sonnigen Plätzen rund um das Dorf oder ganz einfach irgendwo in der Sonne herumzuhängen, Rotwein zu trinken und sich in tiefgreifenden ideologischen Auseinandersetzungen die Köpfe heiss zu reden. In dieser Zeit fiel mir ein Fotoband in die Hände: Provence – Land des Lichts. Schwarz-Weiß-Aufnahmen mit höchstem grafischen Anspruch, grandiose Fotos, die mit einer technisch völlig einfachen Kamera aufgenommen worden waren; nur der Blick, das Auge, der Augenblick, wenn Licht auf Materie trifft, vollbrachten eine Gestaltung von höchster Qualität. Architektur, Landschaften, Pflanzen und Bäume sowie Menschen, ein Foto gelungener als das andere. Dieses Buch habe ich nie vergessen und es sollte für mich wegweisend sein.
Ich hatte meine erste eigene, technisch anspruchsvollere doppeläugige Spiegelreflexkamera dabei und auch ca. ein Dutzend Rollfilme mitgebracht, die mich auf allen Touren und Spazierwegen begleiteten. Am Anfang war es schwierig, durch den Schachtsucher das Motiv wegen der Rechts-Links-Seitenverkehrung genau einzufangen, aber mit der Zeit gelangen immer bessere Fotos. Heute besitze ich noch ein paar Abzüge, die einige Boulespieler in Vaison la Romaine zeigen. Es war das Jahr 1968 und in Berlin, Paris und Berkley lieferten sich Studenten mit den jeweiligen Ordnungskräften vehemente Straßenschlachten. Und wir waren hier und fieberten mit, genossen aber trotzdem das laisser faire der französischen Lebensart.
Die Kamera wurde mir übrigens ein Jahr später in einem Bistro in Site gestohlen, das war ein herber Verlust, aber es dauert nicht lange und ich kaufte mir vom Ersparten einen anderen Fotoapparat Dem Fotografieren bin ich bis heute treu geblieben.

Venedig und das Licht ist eine Geschichte für sich und man darf sich nicht durch den Zauber der vielen Farben, Formen, Stilelemente in der Architektur und vor allem den je nach Tageszeit und Wetter changierenden Farben des Meeres überwältigen lassen, sondern immer genau hinschauen und nie den richtigen Augenblick, auf den Auslöser zu drücken, vergessen. Nach dem vielen Regen war die Luft unglaublich klar und begünstigte das Licht, so dass es die Stadt in einer Plastizität illuminierte, dass ich, nach so vielen Jahren und Fotos aus dem Staunen gar nicht mehr herauskam. Man muss um diese Jahreszeit früh losgehen, damit man das im schrägen Winkel einfallende Licht optimal in seiner gestaltenden Wirkung auf die Farben und Formen einfangen kann. Schon um die Mittagszeit ist dieses temporär kurzzeitige Wunder der prallen Formung fast vorbei und gegen den späten Nachmittag kann es dunstig werden und die Lichtgebung verschwimmt oft und es kann sein, dass sich alles in einen farbübergreifenden, verwaschenen Brei wie in einem verlaufenden Aquarell verdichtet .

Nach Burano und Torcello wollte ich, aber in Burano habe ich es mir anders überlegt, ohnehin war es schon fast 14 Uhr und dann lohnt sich der Abstecher nach Torcello nicht mehr, weil man von Burano wieder ein anderes Schiff nehmen muss, um dorthin zu gelangen. Burano ist die bunte Insel, die Häuser sind in allen erdenklichen Farben angestrichen und ergeben so eine gewisse Spielstadtatmosphäre. Das ist schön, kann aber auf die Dauer auch langweilig oder kitschig wirken, zumal unglaublich viele Menschen mit jeder Fähre auf die kleine Insel losgelassen werden und die Vielfalt dieses bunten Flickenteppichs zu einer Tourismusattraktion degradieren. Dementsprechend steht an den wenigen Kanälen ein Straßencafé am anderen und die graue Schar der Umherschweifenden wertet die durchaus gewollte schöne und pittoreske Wirkung der Farben auf den Hausfassaden wieder ab. Es hat mich ohnehin gewundert, wie viele Menschen noch in der Lagune mit den ca. acht bewohnten und auch zu besuchenden Inseln noch unterwegs waren. Allerdings sagte mir ein italienischer Bistrokellner, dass dies täuschen würde, denn im Vergleich zu den Frühlings- und Sommermonaten wären relativ wenige Touristen unterwegs. Er musste es wissen, er kannte die Vergleiche, aber trotzdem kam es mir vor, als sei der halbe Erdball hierher gekommen, um in Scharen durch Straßen und Gassen zu wandern, auf Plätzen mit hochgereckten Köpfen herumzustehen, auf Brücken der Smartphonegrafie zu frönen und die Lokale bis auf den letzten Platz zu füllen.

Zurück nach Venezia, das Schiff steuert immer Murano Faro an, wo der große, weisse Leuchtturm steht, gleitet an der San Michele Totenstadt vorbei und landet wieder am Fondamente Nove. Aussteigen, durch die Gassen in Richtung San Marco eilen und schnell in die dunkle Seitengasse ins Apartment, um dem Gewimmel für den heutigen Tag zu entkommen.