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War da was? (Dreh dich nicht um, die Pandemie geht um!) Inzwischen wissen die meisten, was eine Pandemie ist, zumindest als begriffliche Bedeutung. Eine Pandemie ist wie eine lokale Epidemie, die in gleicher Form überall ausgebrochen ist, auch in Lima, Tokyo oder Kapstadt. Aber wissen wir wirklich, was sich in dem Begriff Pandemie verbirgt? (Epi)demie, klar! Eine Krankheit von allen für alle. Alle können sich anstecken, keiner kann sich wegstehlen (doch einige), weil das Virus sehr, sehr klein ist und von einem Menschen nicht zu sehen ist. In Apotheken gibt es nichts gegen die Symptome zu kaufen und ein Arzt kann erst einmal auch nicht viel tun, weil es bislang keine Arznei dagegen gibt, die uns helfen könnte, von Krankheit verschont zu werden.
Wir sind allein und müssen uns darauf verlassen, wie und womit uns die Gemeinschaft, also die Solidargemeinschaft helfen könnte. Sich anstecken, bedeutet bei einer derartigen Viruserkarnkung Kontakt zu anderen zu haben, also halten wir uns zurück, halten Abstand, soweit es möglich ist. Aber wir wissen immer nie, ob wir uns irgendwo angesteckt haben oder nicht, erst wenn eindeutige Symptome bemerkt werden, könnte es sein, dass wir uns die Krankheit eingefangen haben. Und dann? Warten, ins Krankenhaus gehen, hoffen, dass man nicht stirbt. Denn die Krankheit, gegen die noch kein Kraut gewachsen ist, kann uns umbringen. Deshalb hat die Regierung Maßnahmen verordnet, die uns schützen können und die wir befolgen sollten, damit die Ausbreitung des Virus beherrschbar ist. Abstand halten, Mundschutz tragen, zu Hause bleiben. So fing alles an. Aber inzwischen glauben viele, dass die Krankheit eigentlich gar nicht mehr da ist und denken, wo nichts ist, kann auch nichts passieren. Falsch gedacht.
Wenn ich mich umschaue, stelle ich fest, dass alle schon wieder so tun, als wäre nichts geschehen in den letzten drei Monaten, nach den vielen Toten und für die Langzeitgeschädigten.
Haben wir uns vielleicht wissentlich in der Fülle der auf uns hernieder prasselnden Wahrnehmungen über acht Wochen lang getäuscht oder wurden wir gar belogen? Zog eine Fata Morgana der absurdesten Verniedlichung von Ostasien über Europa zu den amerikanischen Kontinenten in Nord und Süd? Oder wurde die Öffentlichkeit von den Medien mit realitätsfernen Albträumen indoktriniert, wie es jetzt auf eigentümlich anzuschauenden Abstandswahrungs-Demonstrationen zwischen Stuttgart und Kiel, Berlin und Aachen von im Prinzip friedlich herumstehenden Menschen behauptet wird? Überall lauern Illuminaten, der Beelzebub mit seinen Schergen und hinter jeder Ecke grinst Bill Gates, Putin und andere, die nichts Gutes im Sinn haben. Derweil tanzt AfD-Kalbitz mit Nazi-Höcke den Mussolini und keiner will es hinterher gesehen haben. Und das alles in einer Zeit, wo schwitzende Virologen Tag für Tag und Nacht für Nacht in plumpen Plastikanzügen mit Sauerstoffgeräten und mit Hilfe von Robotern den gefährlichen Versuch wagen, das Virus zu bändigen, indem sie nach besten Wissen und Gewissen alles ausprobieren, um einen Impfstoff zu finden, der allen helfen kann, diese Krankheit unversehrt zu überstehen. Auf den Intensivbetten versuchen Ärzte und das Krankenpflegepersonal mit letzter Anstrengung alles, um die Todgeweihten doch noch zu retten.
Was bilden sich die Demonstranten ein, wenn sie lautstark ihre Freiheitsrechte einfordern, die ihnen angeblich beschnitten worden sind? Wie viele dieser Demonstranten waren auf der Straße zu sehen, als es gegen die Umweltverschmutzung, das Artensterben, die Luftverschmutzung oder die Senkung der CO2- Werte ging? Haben sie denn immer noch nicht begriffen, dass wir unser Leben und das unserer Nachkommen mit der Ignoranz gegenüber dem Klimawandel leichtfertig der endgültigen Vernichtung preisgeben? Was bilden sie sich ein, wenn sie Grundrechte zurückfordern, die ihnen nie genommen wurden und deren Bedeutung sie lange Zeit schlichtweg negierten?  

Ich gehe zur Post, um den Inhalt meines Schließfaches zu sichten und sehe schon von weitem eine Schlange, die vor der Eingangstür auf Einlass wartet. Beim Näherkommen stelle ich fest, dass die Wartenden sehr dicht hintereinander stehen und dass die Empfehlung für Schutzmasken offensichtlich nur noch von Vereinzelten eingehalten werden. In der U-Bahn, die inzwischen wieder einigermaßen viele Fahrgäste transportiert, scheinen die meisten die Regeln des Sich- und Andereschützens schon verdrängt zu haben, manche ziehen sich ungeschickt die Kragen der Pullover über den Mund, andere haben mit der angeordneten Prävention überhaupt nichts mehr zu schaffen. Warum auch, sind die Infektionszahlen doch stetig weiter nach unten gerutscht und hat die Politik wie die Wirtschaft, vor allem die Not leidende Gastronomie im Gleichschritt mit der Eventkultur nicht schon seit Ostern laut Entwarnung geblasen? Die Großflächenplakate, die überall an den Kreuzungen zu sehen sind, thematisieren zu einem beträchtlichen Teil die Präventionswarnungen der Regierung oder der Kommune: Abstand halten, Mundschutz tragen, Zusammenhalten; in großen Lettern steht es überall geschrieben. In der Innenstadt drängeln sich die Konsumsüchtigen wieder durch die Shopping Malls und wenn nicht die Masken wären, würde keiner vermuten, dass weltweit eine Pandemie mit sehr vielen Toten und über 5 Millionen Infizierten grassiert und weiterhin Opfer fordert. Jetzt irgendwo bei den Armen in Afrika oder Südamerika und überall dort, wo Leben von Geburt an schon die Hölle bedeutet.
Die Bilder der Massengräber in Brasilien, vor allem in Sao Paulo, Djakarta oder Douala, die Leichentransporte auf Militärlastwagen, die über die Landstraßen der Lombardei rollten und das bei Fox-News verkündete Einlaufen des großen Lazarettschiffes in New York würde ich nicht als Fakes benennen, aber mancher Insider der Verschwörungstheorien kennt sich offensichtlich auch ohne digitale Vorbildung bestens mit der Pixelmanipulation der Fälschungsmethoden aus, die uns heute zur Verfügung stehen. Als Kenner des Design-Programms Photoshop, der über 30 Jahre mit dieser sehr guten Software arbeitet, weiß ich sehr wohl, was man alles machen kann. Immerhin kenne ich mich auch so gut aus, dass ich die Eingriffe in das digitale Basismaterial auch aufspüren und erkennen kann.

Seit Anfang März habe ich immer wieder Pressekonferenzen und die Berichte auf Phoenix verfolgt und im nach hinein musste ich verwundert feststellen, dass die auftretenden Politiker im Großen und Ganzen sich einer freundlich mahnenden Vernebelungstaktik bedient haben, die im hin- und herschwappenden Wortschwall von Statistiken und Beschwichtigungen unter den Tisch fielen. Ob es der Öcher-CDU-Häuptling Laschet oder der bayrische warnwitzige Söder waren oder der immer sehr beflissen wirkende Gesundheitsminister aus der Merkel-Administration, man musste zunächst sehr genau zuhören, um später alles aufgrund verlässlicher Quellen überprüfen zu können. Viel Einsicht und Faktenevidenz kam nicht dabei heraus. In einem Jahr oder vielleicht später wird der Nachhall all der Reden noch einmal gewichtet werden und wenn es zu einem Aufklärungsszenario und daraufhin zu einem Kassensturz kommt, werden sich viele wundern, wieviel Wahrheit wirklich in der zuvor als Wahrheit verkauften Aussagen ans Licht der Öffentlichkeit gelangt sind. Ich würde jetzt schon vermuten, dass es mehr ist als es einigen lieb sein wird. In fast allen Medien des In- und Auslandes wird Angela Merkel wegen ihres sachlichen und souveränen Auftretens während der Pandemie gelobt und vermeintlich stellen ihr die Zahlen der Infizierten, Gestorbenen und Genesenen in Deutschland ein sehr gutes Zeugnis ihrer Regierungskunst aus. Das mag stimmen und es stimmt sicherlich im Vergleich zu all den anderen Regierungschefs, die von einem Fettnäpfchen ins andere traten oder Unwahrheiten verbreiteten, dass sich die Balken bogen. Wenn man sich Merkels Auftritte aus dem Fernsehübertragungen anschaut, können die Umfragewerte der Kanzlerin stimmen, aber Frau Merkel war eigentlich auch nur der Zügelhalter einer auseinanderdriftenden Horde verstörter Geister, weil sie sich schon in einem Abschiedsmodus von der Kanzlerschaft wähnte. Eine Zikusdirektorin, die den Versuch unternahm, durcheinander krabbelnde Flöhe ohne Autorität oder Willen zu domestizieren.

Die methodische Mathematik zweifelt zu Recht an vielen Zahlen, die aktuell durch die Medien geistern, weil sie zum großen Teil entweder unordentlich erhoben oder falsch interpretiert wurden. Wenn nur diejenigen getestet werden, die als Verdachtsfälle gelten oder zu den Hochrisikopatienten zählen, kann eine signifikant  haltbare Zahl nicht gefunden werden. Nur eine zufällig oder randomisierte Testung einer größeren Anzahl Probanden ergibt eine hohe Wahrscheinlichkeit, wer, wo wie betroffen ist, oder nicht. Bei beispielsweise 10.000 Testungen einer beliebig ausgewählten Menge Personen aller Klassen, Religionen, Berufe oder Altersgruppen werden alle Infizierten, alle Genesenen und alle noch nicht Infizierten erfasst wie auch die Zahl der Toten genau festgestellt werden können. Es ist richtig, zu testen, aber viele derjenigen, die sich in Deutschland während der Corona-Krise einmal bemüht haben, getestet zu werden, werden schnell frustriert aufgegeben haben. Inzwischen reden die Labore davon, dass pro Woche 1 Mio. Menschen getestet werden (oder getestet werden können) aber bislang gibt es kaum transparente Zahlen, die konkrete Rückschlüsse auf ein vertrauenswürdiges Gesamtbild erlauben. Was sagt es aus, wenn jeden Tag die Neuinfizierten bekannt gegeben werden, die inzwischen bei 500-600 liegen? Diese Zahl weiß nicht, ob in irgendeinem Stadtteil einer Großstadt noch 10 oder 20 Infizierte unbemerkt das Virus in sich tragen und möglicherweise noch 40, 80, 160, 320 Menschen infizieren können. Als dann der R-Faktor in das Zahlenroulette integriert wurde, dachten viele, dass es stimmen müsse, wenn der Faktor unter Null sei, wie aktuell 0,65 und dass diese Zahl schon eine Entwarnung oder ein Freibrief sei. Offiziell heißt es: Ziel ist es, dass diese Zahl unter 1 liegt, um eine weitere Verbreitung des Virus einzudämmen. Eine Reproduktionszahl von 0,7 bedeutet, dass zehn Infizierte sieben weitere Menschen aus der Gesamtmenge von 10.000 anstecken können. In den vergangenen sieben Tagen gab es insgesamt 3,3 neu bestätigte Infektionen je 100.000 Einwohner. Insgesamt gab es in dieser Zeit 36 neu bestätige Infektionen. Stand: 22. Mai 2020. Man braucht kein Mathematikgenie zu sein, um festzustellen, dass noch genügend Virenträger in Köln herumlaufen, die noch nicht erfasst sind. Ich bin kein Mathematikgenie und finde mich in dem Zahlensalat auch nicht zurecht, aber es erscheint mir offensichtlich, dass es keinen Grund gibt, sich so zu verhalten, wie es inzwischen sehr viele Menschen zu tun pflegen. Wenn nur ein Gefährder ohne Mundschutz sich vorwärts drängelnd in der Schlange bei der Post befindet, kann er möglicherweise alle anderen anstecken. Die Gefahr einer neuen Welle ist möglich, auch wenn uns viele Verantwortliche eintrichtern, dass Panik nicht mehr angesagt ist. Wer das nicht glaubt oder es für ein Verschwörungsmärchen abtut, sollte mit denen sprechen, die Covid-19 nach einer Intensivbehandlung im Krankenhaus überlebt haben. Im übrigen sind nur drei Faktoren wesentlich für den günstigen Verlauf der Pandemie in Deutschland: Glück, Angst und ein trotz allem immer noch relativ intaktes Gesundheitssystem. Die Diskussion über das sogenannte „Kaputtsparen an Human Ressources, Material, Geräten und Betten“ ist deshalb noch lange nicht vom Tisch. Wie heißt es immer in den alten Western: „Abgerechnet wird zum Schluss“

Der Soziologe Ulrich Beck schreibt in der SZ vom 22. Mai 2020: „Wenn wir über Risiken reden, streiten wir über etwas, das nicht der Fall ist, aber eintreten könnte, wenn nicht jetzt sofort das Ruder herumgeworfen wird. Geglaubte Risiken sind die Peitsche, mit der die Gegenwart auf Trab gebracht wird. Je bedrohlicher die Schatten, die auf die Gegenwart dadurch fallen, dass eine schreckliche Zukunft sich abzeichnet, desto nachhaltiger die Erschütterungen, die durch die Dramaturgie des Risikos heute ausgelöst werden können.“ Wir alle unterliegen einer diffusen Gefahr und wenn dann überall und öffentlich Prognosen erstellt werden, sind politische Eingriffe ins Grundgesetz nicht weit entfernt. Die wichtigsten Maßnahmen kann keiner mit gesundem Menschenverstand als willkürliche Beschränkung bezeichnen, wenn es darum geht, Hygiene und hygienische Prävention einzuhalten wie Hände waschen oder desinfizieren, Abstand halten oder keine Rudelbildung anzustreben. Beim Mundschutz scheint eine Beurteilung schon diffiziler zu sein, denn der Maskenträger schützt nicht sich selber, sofern er keine FFp2- oder -3 Maske trägt, sondern vermeidet lediglich als Spreader (Virenverteiler) andere anzustecken. Nur wenn alle Mundschutz tragen, wird das Ansteckungsrisiko geringer. Eine kleine Kollision entsteht durch das Vermummungsverbot, aber das betrifft nur Autofahrer, weil ein Blitzgerät keine Ahnung von Viren hat.  

Seit vier Wochen zeigt New York, dass gerade in den Stadtteilen mit überwiegend schwarzer oder hispano/puerto-ricanischer Bevölkerung, die meisten Toten zu betrauern sind. In den Higher Middle Class Vierteln am Rande der Stadt oder in den Superapartments rund um den Central Park, in denen hauptsächlich vor allem die Bildungs- und Finanzelite lebt, könnten ebenso 10 oder 20 Menschen unerkannt leben, die ansteckend sind, aber nicht auffällig sind. Diese Menschen pflegen einen anderen, sehr individualistischen Lebensstil und jetten beispielsweise häufiger um die Welt als finanziell schwächere Bürger, was nicht verwundert, denn aus der Bronx oder Harlem ist man schon froh, wenn man mal in Long Island war. Überall dort, wo Menschen dicht auf dicht leben, sind die Infektionszahlen explodiert und es ist nachvollziehbar, dass einige Virologen zu Beginn der Pandemie forderten, einen totalen Lockdown zu reglementieren, wie es beispielsweise in Paris geschehen ist. Prof. Kekulé, der bekannte Virologe von der Uni Halle-Wittenberg forderte Anfang März, dass ein absoluter shutdown als „Coronaferien“ für 14 Tage das Schlimmste verhindern könnte. Keiner geht raus, die Versorgung muss organisiert werden, man bietet dem Virus keine Angriffsfläche.
In jener Zeit sprach der Gesundheitsminister Jens Spahn am 23. Januar, als er nach reiflicher Überlegung bemerkt hatte, dass er sich ums Gesundheitswesen kümmern müsste: „Der Verlauf hier, das Infektionsgeschehen, ist deutlich milder, als wir es bei der Grippe sehen.“ Am 12. Februar, sagt Jens Spahn im Gesundheitsausschuss, die Gefahr einer Pandemie sei „eine zurzeit irreale Vorstellung“ „Es wurde uns mitgeteilt, es gäbe in Deutschland Pandemiepläne für die Influenza. Und diese würden jetzt umgestellt auf das Coronavirus, und das sei alles vollkommen unproblematisch“, sagte er in einem BR-Interview.

Am 01.03.2020

„Das ist ja auch der Grund, warum wir so vorsichtig agieren, weil es eben ein unbekanntes Virus ist. Und daraus kommt ja die Unsicherheit und auch sozusagen die Psychologie dann in der Reaktion. Grippevirus und Coronavirus sind zwei verschiedene Viren, man kann sie auch nicht direkt vergleichen. Aber wir haben gerade aktuell die Grippewelle in Deutschland und die kennen wir und weil wir es kennen, gehen wir damit um. Das Coronavirus kennen wir eben noch nicht, wir wissen eben auch noch nicht abschließend zum Beispiel, wie ist bei großen Zahlen von Patienten der Verlauf. Stand heute wissen wir, dass es in 80 Prozent der Infektionen zu einem sehr milden, teilweise symptomfreien Verlauf kommt.“

Und weiter

„Die Frage, wie oft üben wir eigentlich das, was in den Pandemieplänen steht, das ist was, was ich im Moment noch mal sehr stark spüre. Ja, wir haben Pläne, vor allem auch die Länder haben Pläne, die Krankenhäuser haben Pandemie-Pläne, also es ist alles mal aufgeschrieben worden, was wir in einer solchen Lage machen, und mein Eindruck ist, dass es sehr unterschiedlich tatsächlich geübt wird praktisch, bis eben auch hin zu den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen“

„Cäsar will gekrönt sein. Würde eine Krone ihn verändern? Gäben wir ihm diese Krone, wir gäben ihm die Willkür in die Hand, und es gäbe keine Ordnung außer ihm. Die Größe wird monströs, sobald die Macht gewissenlos agiert. Man muss verhindern, dass es soweit kommt. Man muss Cäsar schützen, schützen vor sich selbst – und schützen uns.“ Aus Caesar von Shakespeare.

„Cäsar ist tot. War das ein Sieg für Rom? Es ging nicht anders. Cäsar war ein Tyrann. Cäsar war ein Tyrann. Cäsar ist tot!“

Was die vielen Toten in den USA, in Brasilien und Großbrittanien betrifft, so kann nur festgestellt werden, dass deren Regierungen fundamental und grob fahrlässig versagt haben, ja sie begegneten sogar den wissenschaftlichen Warnern und deren auf Evidenz basierten Zahlen zum Trotz mit Hohn und Spott. Ein Grippchen. Trump, Bolsonaro und Johnson nahmen billigend in Kauf, dass durch ihre Anweisungen oder doktrinären Regelungen Menschen in einer Art „Banalität des Bösen“ zum Tod „verurteilt“ wurden. Ehrlich angemerkt; Klingt das nicht ketzerisch und vielleicht sogar politisch inkorrekt? Steckt vielleicht eine klammheimliche Freude dahinter?
Bleiben wir bei den geschichtlichen Fakten, stoßen wir immer wieder auf den Tyrannenmord, also die vorsätzliche Tötung eines Diktators, Despoten oder wahnsinnig gewordenen Befehlshabers. Das zieht sich durch die gesamte Geschichte. Beispielsweise Caesar und Brutus, der mit dem Dolche: „Was willst du mit dem Dolche, sprich . . . .  Am bekanntesten ist wohl die Rächerin Judith, die sich ins Lager des tyrannischen Feldherrn Holofernes schlich, um ihm den Kopf abzuschlagen. Das war lange vor Caesar zu biblischen Zeiten und keiner weiß genau, ob es stimmt und wenn ja, wie es zu beweisen wäre. Der Hinduismus basiert auf der Legende von Krishna, dessen Eltern von dem unrechtmäßigen König Kansha ins Gefängnis geworfen und dessen sämtliche Geschwister getötet wurden. Krishna wütete als mörderischer König, der schließlich eines Tages getötet wird.
Der SS-Obergruppenführer und Chef des Reichssicherheitshauptamtes Reinhard Heydrich wurde in Prag von Mitgliedern der Widerstandsbewegung getötet, weil Heydrich vom tschechischen Widerstand für das massenhafte Morden ihrer Landsleute und den Juden verantwortlich gemacht wurde. Durch diesen Gewaltakt sollte ein Zeichen für den offenen Widerstand und deren heldenhaftes Aufbäumen gesetzt werden. Allerdings entstand nach dem Attentat eine viel größere Unterdrückung und erbarmungsloses Morden innerhalb der Bevölkerung. Als Vergeltung oder Rache wurden fast alle Bewohner des Dorfes Lidice in einer militärisch kalkulierten Vernichtungsaktion hingerichtet. Die Attentäter hätten bedenken sollen, dass Heydrich in dem Mordapparat der Nazis sofort ersetzt werden würde. Hinter jedem Mörder standen viele weitere Mörder bereit, die sofort den Platz des Opfers einnehmen würden.

Wie bei fast allen Tyrannenmorden folgen die Taten der Logik des gewaltsamen Befreiungsschlages, der letzten Möglichkeit, den Tyrannen los zu werden. Der griechische Philosoph Xenophon, ein Zeitgenosse Platons spricht es aus: Keine Treuepflicht gebe es gegenüber dem Tyrannen, wer ihn beseitige, begehe eine Heldentat. Cicero verteidigt in seiner Moralschrift De officiis den Tyrannenmord aus Gründen der politischen Nützlichkeit. Er argumentiert: Der Schaden, den die gesetzlose Ordnung der Tyrannis anrichte, sei schlicht zu groß, als dass nicht jedes Mittel, sie zu beenden, gerechtfertigt wäre. Juan de Mariana, ein spanischer Jesuit meinte über den vorsätzlichen Mord an einem tyrannischen Fürsten: „wird man nicht nur für gesetzlich halten, sondern sie sogar mit Beifall aufnehmen, und noch die kommenden Generationen werden sie als Ruhmestat ansehen“. Trotz allem gilt der Tyrannenmord im neutestamentlichen Konzept mit der christlichen Feindesliebe als unvereinbar. Paulus, der große Schriftführer des Neuen Testamentes sah nur in Gott die Obrigkeit, der mit dieser Doktrin unantastbar wurde. Stattdessen kennt das frühe Christentum nur den Märtyrer und nicht die heldenhafte Tat des Tyrannenmörders. Da trifft es sich gut, dass die Evangelikalen in den USA den schön geföhnten Donald verehren und in Brasilien den Schmierendarsteller Bolsonaro. Die russisch orthodoxe Kirche steht hinter Putin und die AKP hat Allah in Schutzhaft genommen, damit Erdogan die Türkei weiterhin herunter wirtschaftet. Der polnische Klerus treibt es mit der PiS und die Drogenbarone in Südamerika gehen erst in die Kirche und legen hinterher ein paar missliebige Stänkerer um. Es hat sich auch dort nicht viel verändert, auch wenn es immer anders dargestellt wird. 

Joachim Kardinal Meisner zu Köln: „Es geht um die Frage: Muss ich die Menschheit vor so einem Unmenschen bewahren, der nur Tod, Hass und Verderben bringt? Aus meiner Sicht wäre es das Beste, Osama Bin Ladens habhaft zu werden und ihn anzuklagen. Aber wenn das nicht möglich ist, bleibt der Tyrannenmord die letzte Möglichkeit. Und dass das möglich ist, zeigt die Geschichte.“ ( Interview mit dem Kölner Erzbischof, Joachim Kardinal Meisner, in: Bunte vom 15.11.01, S. 48.)

Georg Elser, der im November 1939 eine Bombe in einem Pfeiler des Hofbräuhauses versteckte, wusste sehr genau, dass Hitlers kriegerisches Mordsystem nur durch einen Akt persönlicher Selbstaufgabe (oder Zivilcourage) zu beenden war. Der Offizier Claus Schenk Graf von Stauffenberg und alle Verschwörer des 20. Juli fassten einen ähnlichen Plan, allerdings scheiterten auch sie, aber aus anderen Gründen und auch weil die Verschwörer glaubten, dass Hitlers Tod, die gesamte Naziclique aus der Führung des Staates vertreiben würde und danach ein humaneres System der Putschisten entstehen könnte. Keinesfalls sollte aber eine demokratische Regierungsform angestrebt werden.

Jonny Depp ließ sich auf einem britischen Filmfestival zu einer witzig gemeinten Bemerkung hinreißen: „Wann hat zum letzten Mal ein Schauspieler einen Präsidenten ermordet? … Ist eine Weile her, vielleicht wird es Zeit.“ Dummerweise bezog sich Depp offensichtlich auf Lincoln und den Schauspieler John Wilkes Booth, der den Präsidenten in einer Theaterloge erschossen hatte. Lincoln war sicherlich für alle Südstaatler ein Tyrann, aber im nachhinein zeigt die Geschichte, dass diese Tat vollkommen sinnlos war. Die Südstaaten sind immer noch rassistisch, der Ku-Klux-Klan verbrennt immer noch Kreuze und der Blues raunt melancholisch wütend das Elend der Schwarzen. Strange Fruits, sang Billie Hollyday.

Ein Schelm, nein, das kann der extravagante Millionär Depp nicht gemeint haben, vielleicht ist es ein opioidsüchtiger, arbeitsloser, HIV-erkrankter Obdachloser aus dem Rust-Belt, der Böses damit meint und vielleicht Positives dabei denkt.

Vielleicht ist der Sinn des Aphorismus: Aus seinem Herzen eine Mördergrube machen, falsch verstanden worden und sollte neu formuliert werden. Democracy First.

W.N. 23. Mai 2020 – 16. August 2021