Mit Begeisterung habe ich als Jugendlicher die Filme Don Camillo und Peppone gesehen, die Allegorie auf die ewige Zweigeteiltheit der Italiener am Beispiel des Dorfpfarrers Don Camillo, der nur Gott, der Hl. Kirche und der Christlichen Partei verpflichte ist und Peppone, dem stetig sich selbst überschätzenden kommunistischen Bürgermeisters. Beide leben in einem kleinen Bauerndorf in der Poebene. Obwohl beide Männer Seite an Seite als Partisanen gegen die Faschisten gekämpft hatten, fanden sie sich nach dem Sturz der schwarzen Pest der Faschisten als ideologische Gegner zwischen Kirche und dem Glauben wie dem Rathaus und dem Glauben an die Allmacht der proletarischen Weltrevolution wieder. Sie wetteiferten in einem permanenten Kampf um die Oberhoheit im Dorf.
Der Schriftsteller Giovanino Guareschi, der die Buchvorlage verfasst hatte, fand in der Verfilmung mit dem französischen Komödianten Fernandel und dem berühmten, italienischen Theater- und Filmschauspieler Gino Cervi unter der Regie von Julien, Duvivier, Carmine Gallone und Christian Jaque zwischen 1952 und 1965 die ideale Besetzung. Die Filme wurden Welterfolge, auch weil der narrative Trick hinter der Kulisse des Dorflebens und des beginnenden Kalten Krieg zwar die Absicht verfolgte, Don Camillo positiver und gewitzter dazustellen, aber Guareschi baute ein Korrektiv ein, indem der Erzpriester in einer Zwiesprache mit Gott reale Antworten bekam, diese aber dessen wahre Absichten entlarvten, die den tatkräftigen und nicht gerade zimperlichen Pfarrer immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholte und zur Demut zwang. Die einzelnen Episoden sind so gut verfilmt und spannend erzählt worden, dass ich keine Gelegenheit scheue, die phantastisch gedrehten Schwarz-Weiß-Filme immer wieder anzusehen.
Dieser Zwiespalt der beiden gegensätzlichen Protagonisten erinnert mich an die politische und gesellschaftliche Entwicklung Italiens in den einander die Klinke in die Hand gebenden Regierungen in Rom. Von den anfänglichen linken Säuberungsversuchen nach 1944, 1943 waren die Truppen der US-Amerikaner in Sizilien gelandet, bis zur ersten Regierung de Gasperi mit dem Beginn der Ersten Republik. Die anfänglich starke kommunistische Partei bildete in den ersten Nachkriegsjahren eine konsequente Opposition, verfing sich aber dann in den Ungereimtheiten des Eurokommunismus in Widersprüche und zeigte erste Zerfallserscheinungen. Mit dem plötzlichen Tod des charismatischen Generalsekretärs Berlinguer war der Niedergang ohne neue Führungskader nicht mehr aufzuhalten. Die aktuelle Zweckheirat zwischen dem Chef der Cinque Stelle di Maio und dem rechtsnationalistischen Vorsitzenden der Lega Nord Salvini ist zwar gebildet worden, allerdings konnte der Staatspräsident Mattarella den schlimmsten Antieuropäer in der Regierungsbildung nicht verhindern. Wir kennen das Kabinett noch nicht genau, aber der fremdenfeindliche Salvini wird offensichtlich Innenminister.
Wie im französischen Film von François Truffaut „Les quatre cent coups“ (Sie küssten und sie schlugen ihn), kommt mir diese Koalition zweier unerfahrener und politisch unreifer Populisten vor, die dem Volk zwar alles versprochen haben, aber diese angesichts der europäischen Verträge wie der eigenen italienischen Verfassung nicht werden halten können. Was heute zusammengekommen ist, findet einen Zusammenhalt wahrscheinlich nur in den populistischen Parolen, die links wie rechts lautes Geschrei verursachen, aber keine Substanz besitzen. Trotzdem hält die Welt den Atem an, vor allem die Banken, die Anleger und die Finanzpolitiker in der mittleren EU-Zone. Sollte Italien tatsächlich einen Weg gehen, den die Briten schon vorexerziert haben und heute larmoyant beweinen, ist eine Spaltung Europas in der heutigen Konstellation auf Basis der römischen Verträge, des Lissabonner Abkommens und der Maastricht Kriterien durchaus denkbar. Jetzt sehen wir sehr genau, wie die 46 Jahre Herrschaft DC mit den korrupten Politikern Andreotti und Craxi, den Boden für den Baulöwen und Medienmogul Berlusconi bereitet hat, der das Werk des italienischen Niedergangs in allen Bereichen vollendet hat. Italiens Kultur hat dermaßen gelitten, dass die einstmals stolze Kulturnation nur noch ein Schatten seiner selbst ist. Schalten Sie mal den Fernseher ein, wenn Sie in Italien sind, bei gefühlten tausend Programmen folgt Kitsch, auf Beliebigkeit und Unsinn. Der greise sizilianische Autor Andrea Camillieri hat in seinem Essaybuch „Was ist ein Italiener“, erschienen bei Wagenbach, deutliche Worte gefunden. Berlusconis Politik wird Italien noch in 20 Jahren schaden und was jetzt im Quirinale geschieht, kann wie ein Flächenbrand den gesamten Mittelmeerraum, einschließlich Frankreich und den Osten ergreifen und in lodernde Flammen versetzen. Le Pen lauert schon und Strache wie Orban werden ihr zerstörerisches Werk ohne Rücksicht auf Verluste fortsetzen.
Berlusconi war die Originalblaupause für Trumps Wahlsieg in den USA wie Mussolini die Blaupause für Hitlers Erstürmung der Reichskanzlei war, das kann man ohne an ein Menetekel zu denken, an die Wand malen, und als geschichtliches Faktum beurteilen.
Was daraus wird, können wir nicht sagen, aber in einer globalisierten Welt liegt Untergang und Aufschwung dicht nebeneinander und die möglichen Verlierer haben nicht erst jetzt ihr Guthaben verspielt, sondern dieses fatale Unvermögen oder eine destruktive Verschuldungspolitik ist schon lange vorher geschehen. Es muss alles dafür getan werden, Italien in der EU zu halten, aber keineswegs dürfen die anderen Staaten in die demokratisch legitimierten Prozesse des Landes eingreifen. Das global verflochtene Marktgeschehen und die rasante digitale Weiterentwicklung auf dem gesamten Globus bieten genügend Mittel, um so eingreifen zu können, dass mit den Jahren wieder stabile Verhältnisse einkehren werden. Vergessen wir niemals Griechenland in der tiefsten Stunde der Gefahr, was dort falsch gemacht worden ist, darf sich in Italien nicht wiederholen.