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Wenn die Realität noch grausamer als die Wirklichkeit ist.

Nachts heimgekommen, fünfzehn Stunden Zugfahrt mit dreimaligen Umsteigen, kaum geschlafen, es ist noch dunkel. Ich bin schon lange wach und warte noch, weil alle Gelenke und Extremitäten schmerzen. Ich stehe auf und gehe schwankend und sehr wacklig auf den Beinen ins Badezimmer, steige über die Badewannenmauer, stelle mich unter die Dusche, kalt, immer kalt, wasche meine Haare, gründlich, (die Beatles haben es mit kaltem Wasser und Kernseife in Hamburg gemacht) weil ich immer einen Bad-Hair-Day fürchte, steige mühsam über die Badewannenbrüstung, weil jederzeit die Gefahr besteht, auszurutschen, auf den Fliesenboden zu knallen und dem Tag Aufwiedersehen zu sagen. Heute, da ich ohnehin körperlich ziemlich geschwächt bin, von den letzten vierundzwanzig Stunden quetschte ich mich 16 Stunden in ein vollgestopftes Zugabteil und verspüre am gesamten Körper bis auf meinen Kopf Schmerzen. Die Fahrt eine Wiederholung einer noch übleren Bahnfahrt eine Woche zuvor, bei der ich an die äußerste Grenze meiner Frustrationsschwelle und körperlichen Zumutungsbelastung entlangschrappte. Wer sich traut, mit der Bahn zu fahren, der Deutschen Bahn, sollte vorher eine gute Versicherung abschließen, die jede Beeinträchtigung, körperliche Versehrtheit und psychische Tramata einschließt. Ich nehme das an der Tür hängende große Badehandtuch und beginne mich abzutrocknen. Zuerst immer die Haare, die ich richtig trocken rubbele, die paar Ziepen, die noch da sind, es sprießt nicht mehr viel auf meiner Kopfhaut, als nächstes kommen der Oberkörper und die Arme dran, weil es einem schon fröstelt. Sin sie einigermaßen trocken, schaue ich runter auf meine Beine, weil die ganz trocken sein müssen, ansonsten bekomme ich die Socken nicht über die Fußhaut und das endet immer mit Wut und Schimpftiraden auf das verdammte Phänomen, dass nasse Haut und trockene Baumwollsocken nicht kompatibel zueinander sind. Ich schaue nach untern, hefte meinen Blick auf die Unterschenkel, richte mich auf, schaue erneut mit tieferer Neigung des Oberkörpers wieder nach unten und kann es nicht glauben, was ich sehe oder vermeintlich wahrnehme. Das, was ich sehe, kann in keiner Weise der Wirklichkeit entsprechen, das, was ich sehe, gehört mir nicht: Was zur Hölle ist das, Ich habe keine Waden mehr.

Der noch tiefer gesenkte Blick tastet sich von den Zehen bis zu den Knien und höher und traut den Augen, die ja auch Teil meines Körpers sind, nicht mehr. Man stelle sich vor, dass diese unglaublichen Bilder sofort ins Gehirn geschickt werden, wo sich die Betrachtung in einer millionsten Sekunde zu einem Schreckensszenario zusammensetzen und das Gesehene eindeutig als Deminuierung verifizieren. Spontanpathologische Veränderungen sollen selten sein, aber an diesem Morgen sind sie evident. Ich kann nicht sagen oder gar im nachhinein beurteilen, ob ich mehr geschockt als erstaunt oder verwundert bin, ich kann es einfach nicht ad hoc sagen und noch weniger glauben, was sich meinen Blicken bietet. Ich reibe mir die Augen, schaue auf die neutrale Wand, richte den Blick wieder nach unten und erneut bietet sich das erbärmlich Bild meiner dünner gewordenen Beinchen. Bin ich einer subjektiven Falle aufgesessen, ausgelöst durch meine Strapazen der vergangenen Woche oder ist es ein hinterlistiges Trugbild, was mich narren soll, eine Badezimmer-Fata-Morgana vielleicht? Ich kann meinen Blick nicht von meinen unteren Extremitäten lösen, vergleiche die Proportionen von einem Bein zum anderen, versuche mich zu erinnern, wie diese Unterschenkel vor der Reise ausgesehen hat und sehe vor meinem inneren Auge immer nur meine ausgeprägten Waden, die ich mir in über siebzig Jahren mit hunderten Kilometern Laufen und Gehen, Kniebeugen, Bergwandern und Baumklettern redlich und mühsam zu einer strammen Muskelsäule geformt habe. Bilder von Unterernährten tauchen auf, die grauenhaften Filme über die Befreiung der KZ`s durch die Alliierten, weitläufige Felder, auf denen tausende dünne Beinchen wie Maisstengel nach oben wachsen. Ich bin so verwirrt, dass ich immer wieder die Beien abtaste und in meinem Hirnarchiv nach tatsächlichen Fotos suche, die meine Waden würden zeigen können, aber ich bin und war immer ein Langhosenträger und habe es soweit wie möglich vermieden, fotografiert zu werden. Ich lösche alle Lichter und mache sie wieder an, gehe zu dem großen Spiegel im Flur und bleibt entsetzt wie angewurzelt stehen, weil das, was ich sehe, nicht Ich sein kann. Der Mensch als solcher sieht mir sehr ähnlich und wenn es stimmt, dass Spiegel nicht lügen, sondern nur die Seiten verwechseln, stehe ich dort als Abbild meinerselbst, also als umgekehrtes Ich. Dabei fand Sigmund Freud heraus, dass der Mensche diejenigen mehr hasst und fürchtet, die ihm ähnlich sehen und nicht die, die ihm fremdartig vorkommen und nicht seinen normativen Vorstellungen entsprechen. Wie soll ich das verstehen, wenn mein Spiegelbild zwar einen mir ähnliches Ich zeigt, der aber dem meinem Ich in meiner Erinnerung fremd vorkommt. Wenn ich an mir herunterschaue, mich drehe, mich in Positur stelle und Brust raus Bauch rein darstelle, bin ich es ohne Zweifel. Mein pragmatisches Denken gibt mir einen Schubs und nötigt mir das fatale Eingeständnis ab, dass ich oder zumindest meine Beine und vor allem meine Unterschenkel nicht mehr die sind, wie sie in meiner Erinnerung noch vor einigen Tagen aussahen, als ich morgens in der Dusche stand und mich anschließend ohne größere Beschwerden überall hin bewegte, zu einer Ärztin fuhr, um an vier Tagen Kortisonspritzen injiziert zu bekommen. In den ersten Tagen habe ich permanent an meinem macbook gesessen und die Odysse unserer Fahrt nach Südfrankreich dezidiert protokolliert, um später beweiskräftige Argumente in den Ring zu werfen, die den Gegner, wahrscheinlich Rechtsanwälte, unter Umständen in die Ecke drängen. Außer den lästigen, seit Jahren immer wiederkehrenden Rückenschmerzen habe ich mich ziemlich gut gefühlt, obwohl ich es vermied, mit den anderen Petanque zu spielen, um größere Malaisen zu vermeiden. Das Nichtspielen war wie ein Stich im Herzen, aber ich dachte immer daran, dass es nicht besonders förderlich und vernünftig wäre, nach einem Spiel wieder bewegungsunfähiger zu sein. Ich spreche in mir aus Erfahrung, das geht aber keinen etwas an.

Vielleicht  verliert der Mensch in der Routine der morgendlichen Alltäglichkeit den Blick auf die immer gleiche und wiederkehrende Wirklichkeit, weil das Gehirn einer Abfolge geistiger Erinnerungsbilder der gespeicherten Perpetuierung folgt und daraufhin den prüfenden Blick vernachlässigt oder vergisst, besser aufzupassen und genauer hinzuschauen. Schließlich habe ich keine Neigung, narzisstisch zu sein, noch folge ich der Meinung, dass sich über die wenigen Nachtstunden etwas geändert haben könnte, was aber aus medizinischer Sicht relativ unmöglich ist.
Es ist immer noch dämmrig und ich will nicht nass und frierend herumtrödeln, indem ich mich immer wieder von oben bis unten bewundernd mustere, auf jedes Körperdetail achte, um wieder einmal sagen zu können, wie schön dieser Alabasterkörper immer noch ist. Dem Bildnis des Dorian Gray nachzueifern, ist nicht meine Sache, wenn man weiß, dass Übergewicht nur bei bestimmten Fotografen Idealisierungen auslöst.
Das Gehirn retuschiert im Verlangen nach Selbstbestätigung Bauchfalten und Speckrollen und befriedigt so in seiner Eitelkeit einer eingeübten Wahrnehmungsfalle mit den wohlwollenden Forderungen des Ego´s., sich einfach nur gut zu fühlen. Ich tappe durch den Flur und zeige meiner Frau, was ich sehe und nicht glauben kann, was ich als unmöglich erachte, was mich verstört und eine Lawine von Zweifeln auf mich herunterprasseln lässt. Meine Frau sieht mich an, zögert erst und bestätigt mir, dass sie der Meinung sei, dass die Unterschenkel dünner geworden seien und die Waden wie Wachs dahingeschmolzen sind.
Und da melden sich die Schmerzen, jeder Schritt, jede Bewegung treibt einen nicht gekannten Schmerz vom Rücken in die Beine und Tränen in die Augen.Von den Lendenwirbeln, wo mir operativ zwei Schrauben zwischen LW5 und SW1 eingesetzt wurden, bis in die Knöchel und hin und wieder in den großen Zeh. Jetzt erst wird mir bewusst, indem ich es schmerzlich feststelle, dass kaum noch Kraft in den Beinen ist. Meine sämtlichen Beinmuskeln sind ihrer Bestimmung beraubr, mich aufrecht zu halten und meine Bewegungen zu koordinieren. Die Schmerzen sind so einschneidend, dass ich zu den härteren Schmerzmitteln greife, die mir der Orthopäde präventiv verordnet hat.
Was bleibt mir anderes übrig als mich wieder hinzulegen, und alle Bewegungen zu reduzieren. Ruhe in einer Starrheit zu bewahren, auch wenn es mir sehr schwer fällt. So einfach ist es aber nicht, Hinlegen und Ruhe halten wäre das Optimum. Auch wenn ich ganz ruhig auf dem Rücken liege, kriechen die Schmerzen erneut vom Rücken in die Beine, setzen sich in den Knien fest, nehmen das Schienbein in Beschlag und lassen mir keine Ruhe, die mein Körper gebrauchen könnte, um wenigstens wieder Schlaf zu finden. Ich drehe mich und wälze mich, rotiere in Zeitlupe mindestens dreimal in wenigen Minuten um mich selbst, ordne die Kissen neu, klemme ein kleines Kissen zwischen die Beine, damit die Knie nicht aneinander reiben und warte darauf, dass die Schmerzbombe endlich Hilfe verschafft. So ist es nicht mehr auszuhalten. Meine ich, aber man kann viel mehr aushalten als man glaubt. Die Ärztin in Cazouls verschrieb mir nach einem Telefonat ein starkes Schmerzmittel, welches direkt von der gegenüberliegenden Pharmazie in die Praxis gebracht wurde. Ich lese die Beschreibung und weiß, dass ich dem Medikament nicht trauen kann. Die von mir aus dem Französischen übersetzten Nebenwirkungen reichen aus, um die Finger davon zu lassen. Stattdessen nehme ich das vom deutschen Orthopäden verschriebene Mittel, ein schwaches Opioid, was ich schon einmal ausprobiert habe. Es war verträglich und bislang ohne Nebenwirkungen, außer dass ich mich wie in einem Nebel fühle und mein Denken auf einen Sparmodus zwingt. Gedanken zu sortieren fällt schwer und die basale Müdigkeit tut ein übriges. Ich denke darüber nach, ob ich die Hinfahrt, das Verbleiben und die Rückfahrt kontextualisieren sollte, weil das in der allgemeinen Medienlage im Augenblick viele Menschen umtreibt oder aus einem Dornröschenschlaf aufweckt und komme zu dem Schluss, dass jedes Kontextualisieren im nachhinein nur der verzweifelte Versuch ist, sich die eigenen Versäumnisse schön zu reden und irgendwo anders Gründe auszubuddeln, die zumindest ein Schuldbewusstsein erzeugen, das mich in Sündenbockmanier zum Schlachtklotz führte.

Da ich nur kurze Strecken gehen konnte und dabei immer Schmerzen hatte, war schon der Weg vom Schlafzimmer zum Fenster des Wohnraumes lang. Ich blieb erst einmal im Bett liegen, was ich aber auch nicht als Lösung ansah. So sehr ich mich auch bemühte, einen schnellen Termin bei einem Neurologen oder Neurochirurgen zu bekommen, wurde ich auf spätere Termine vertröstet und mein Orthopäde befand sich immer noch im Urlaub. Der Hausarzt oder die Hausärztin würden nicht viel zu dem Krankheitsbild sagen können und schließlich nur eine Überweisung ausstellen. Ich verspürte keine Lust, in eine Klinik zu gehen, weil ich immer noch der Meinung war, mein Leibesschlamassel würde sich früher oder später in Wohl- oder Erträglichkeitsgefallen auflösen. In den Nächten lag ich meistens wach, die Schmerzen hinderten den Schlaf, sich meiner zu bemächtigen. Tagsüber schlief ich, wenn mir irgendein Insommniageist gnädig war oder las alles, was ich im Internet über die Lage in Nahost, den ukrainisch-russischen Krieg und den aufgebauschten Diskurs über die Auswirkungen des Israel-Palästina-Desasters finden konnte. Insbesondere unabhängige Blogs bestätigten all das, was ich mir über Jahre in meinen Nachforschungen über den Vertrag von Sevres, Lausanne und den unseligen Sykes-Picot-Plan zusammengetragen hatte. Die Tage waren mühsam und die Nächte endlos. Nachts schrieb ich ellenlange SMS mit meinem Freund Günther, der niedergelassener Arzt gewesen war und vor allem seit 58 Jahren ein sehr enger Freund ist. Wir waren zusammen in der selben Schule gestriezt und geknebelt worden und blieben auch nach unterschiedlichen Lebenswegen in weit voneinander liegenden Städten immer enge Freunde.
Anfangs war seine These, dass oberhalb des fünften Lendenwirbels, also ein oder zwei Etagen höher irgendeine Bandscheibe verrutscht oder lädiert worden war, was mir angesichts der stundenlangen Bahnstrapazen verständlich erschien.
An diesem Donnerstag wurde mir klar, dass ich handeln würde müssen, wenn ich nicht das kommende Wochenende ohne ärztlichen Beistand oder ärztliche Untersuchung vor mich hindämmern wollte und keine Chance sah, irgendeine Besserung zu verspüren.
Am Freitag Morgen fuhren wir beide nach Mehrheim in der Annahme, in der Neurologie oder Neurochirurgie relativ schnell examiniert zu werden. Um neun Uhr waren wir vor Ort und mussten einsehen, dass es wegen einer völlig überfüllten Notaufnahme keine Chance gab, zügig untersucht zu werden. Immerhin wurde mir nach einer guten Stunde ein Venenzugang gelegt und Blut abgenommen. Aber danach warteten wir weitere zwei Stunden bis wir in ein Arztzimmer gerufen wurden. Immerhin fühlte ich mich einer möglichen Aufklärung sehr viel näher, auch wenn wir wieder warten mussten. Um es kurz zu machen, es kam viel weniger dabei heraus, als ich erhofft hatte: der vollkommen überlastete Assistenzarzt bot mir zwei Alternativen an. Zum einem übers Wochenende in der Klinik zu bleiben, Montags ein MRT machen zu lassen und zwischendurch mit einer sogenannten Schmerztherapie permanent versorgt zu werden, eine lief gerade mit harten Schmerzmitteln in meinen Arm. Oder heim zu gehen, ein MRT zu besorgen und ein paar Tage später zur Sprechstunde des Professor N. zu gehen, um im MRT die möglichen Ursachen meines Gebrechens zu orten. Freitag, Samst und Sonntag von einer Infusion zur anderen zu taumeln und in einem trostlosen Zimmer zu liegen, erachtete ich eher als kontraproduktiv und so fuhren wir wieder nachhause. Sie verschrieben mir eine Menge Medikamente und nach sechs Stunden fuhr ich genauso dumm oder schlau wieder nachhause. Offensichtlich hatten die fachmenschen in Mehrheim keinen Plan, wenn ich hinterher las, dass es möglicherweise ein Muskelkater sei. Hallo, ein Muskelkater über eine Woche und inzwischen 12 Tage, aber ich trage ihnen nichts nach, denn diese Notfallaufnahme war augenscheinlich auf wirklich sichtbare Schmerzen oder außergewöhnliche Veränderungen am menschlichen Körper eingeschworen, denn als ich das Notfallzentrum verließ kam mir ein Mann entgegen, der übers gesamte Gesicht, vor allem Mund und Nase, blutete und entweder auf ein Lenkrad geknallt war oder mehrfach in eine Faust gelaufen sein musste. Halloween etwas früher. Weiterhin gilt, es muss endlich etwas passieren.
Das Wochenende zuhause ist immerhin für meine mentale Stimmung einigermaßen erträglich, zumal meine Frau alles macht, um mir diesen Zustand so angenehm wie möglich zu gestalten. Aushalten muss ich es und ich sage mir weiter aushalten, auch morgen aushalten und vielleicht auch besser aushalten, um dann wieder hoch zu kommen, im Sinne des Wortes. In der Nacht von Sonntag auf Montag fällt mir mit Schrecken ein, dass es schon ein Vabanquespiel war, darauf zu setzen, schnell ein MRT zu bekommen. Als Alternative sehe ich eine Einweisung in die neurochirurgische Station des Professor N., um an das MRT zu kommen. Am anderen Morgen rufe ich an, ich habe einen guten Draht zu einem weitverzweigten Medizinnetzwerk und hoffe, dass ich mit guter Rhetorik, so schnell wie möglich einen Termin zu bekommen. Es ist kaum zu glauben, ich rücke für einen Absager schon am Dienstag in einen Röhrentermin. Erleichterung und trotzdem Vorsicht, weil es mir eben immer noch schlecht geht. Aber wie beschreibt man schlecht im Zusamenhang mit menschlichen Eigenschaften und Gefühlen, gut und schlecht sind allzu platt, schwarz und weiß. Bei einer Frage zum Gesundheitszustand wird sie aber als Zustandsbeschreibungen allgemein genutzt. Im medizinischen Sinn würde ich sagen, dass ein Mensch, der sich außerhalb seiner vitalen Funktionen befindet und die positiven Parameter der allgemeinen Gesundheitsbeschreibungen nicht mehr erfüllen kann, sich in einem schlechten Zustand befindet. Diese Zustände werden graduell unterschiedlich bewertet, indem ein Schnupfen eher harmlos lästig als schlecht beschrieben wird und ein Aneurysma im Kopf, das schon ein letales Risiko beinhaltet, sehr schlecht befunden wird. Unerträgliche Schmerzen zu haben und kaum gehen zu können, ist schon ziemlich schlecht, was ich am eigenem Leib verspüre. Der subjektive Eindruck kann je nach Schmerztoleranz als schlecht beschrieben werden, wenn eine Depression sich eingenistet hat und das beobachtende Denken nur Negatives zu Tage bringt. Eine Depression kann ebenso dramatisch wahrgenommen werden wie eine schwere Lungenentzündung.

Am Dienstag zählte ich Tag 11 seit meiner Rückkehr und endlich habe ich einen Termin mit einer Radiologie, die das geforderte MRT aufzeichnen können. Obwohl ich mich einigermaßen den Umständen entsprechend fit fühle, merke ich schon nach fünfzig Metern, dass ich nicht im Geringsten gut zu Fuß bin, es schmerzt und ich fühle mich wacklig, gehe wie auf Tischtennisbällen und als ich noch in dem Gebäude die falsche Richtung eingeschlagen habe und wieder treppauf muss, bin ich schon wieder platt, wie es im Volksmund heißt, wenn ein Mensch keine Energie mehr hat und sich körperlich am Limit fühlt. Es dauert noch und ich muss auch noch einen vierseitigen Fragebogen ausfüllen, was inzwischen Routine ist. kaum habe ich meine Selbstzeugnisse abgegeben, geht es in Richtung MRT-Bereich und ich muss nicht lange warten, bis ich an der Reihe bin. Das procedere ist mir bekannt und ich frage nur, ob die Untersuchung mit oder ohne Kontrastmittel durchgeführt. Ohne. langsam schiebt mich der Schlitten, auf dem ich liege in die Röhre und auch wenn ich wie auch bei früheren Untersuchungen Kopfhörer auf den Ohren habe, quietscht, hackt, pocht und hämmert die Maschine so laut, dass ich bei gutem Willen ein heavy metall Riff daraus zusammenschneiden könnte. ich bin schon einige Male in so einer MRT-Röhre gewesen, aber was neu ist oder was ich als neu empfinde, ist eine ansteigende Wärme, die mir zum Ende der Magnetresonanzreise die Schweißperlen auf meine Stirn treibt. Nach 20 Minuten ist es vorbei und als ich die eigentümliche Wärmeempfindung erwähne, antwortete die maschnistin, dass die Frau vor mir gesagt habe, dass sie gefroren hat. Da werde einer schlau draus oder es beweist nur, dass Enge bei jedem anders wahrgenommen wird. Vielleicht gibt es auch welche, die Lachanfälle bekommen oder Opernarien singen. Ich steige von dem Schlitten des alles durchleuchtenden Elektronikungeheuers und werde entlassen.Ich begebe mich in die Umkleidekabine und krieche mühsam in die engen Hosen und drei Hemden, die ich wegen der Kälte zuhause vorsorglich angezogen habe. An der frischen Luft, was in einer Stadt niemals stimmen kann, merke ich, dass ich vielleicht nach Auswertung der in schnellster Rotation zusammengepuzzelten Bits und Bytes Genaueres über meinen Zustand erfahren werden, wenn die Bilder nach der Begutachtung durch den Neurochirurgen irgendeinen Defekt am Spinalkanal aufweisen. Das liegt noch vor mir und der Orthopäde soll auch noch die schmenhafte Darstellung meiner Knochen in schwarz und weiß seinem Wissen zur Prüfung vorlegen, um seine Theorie der Hüftgelenkarthrose als zu weit gegriffen ekennen muss. Das MRT habe ich also hinter mir und die Bilder werden an den Hausrzt geschickt, aber vorsichtshalber lasse ich mir noch eine CD brennen, die ich mitnehme, um wenisgtens einen Beweis bei meinen Unterlagen zu haben. Dieses MRT wird nun am Mittwoch in der Sprechstunde der neurochirurgischen Ambulanz von einem der Mediziner aus dieser Abteilung begutachtet. Wir fahren nach Merheim und wie das so ist, wird eerst einmal gewartet, obwohl ein fixer Termin vorliegt, obwohl jeder weiß, dass zeit für die einen eine geringere Rolle spielt als für den Patienten. Aber es verläuft sehr schnell und wir werden in das Zimmer des Arztes – in diesem Fall einer Ärztin gebeten – die uns erst einmal nicht beachtet und nur sagt, dass wir uns setzen sollen. Ich setzte mich auf einen freien Stuhl und sogleich moniert die Dame, dass ich hinter ihrem Rücken sitze, was sie nicht leiden kann und platziere mich neben sie. Die Bilder sind schon auf dem Monitor zu erkennen und nach einer Weile legt die Ärztin los. Sie sehe bei beiden MRTs, die im Abstand von 10 Wochen aufgenommen wurden kaum Unterschiede und es wäre schon klar, dass es eine Spinalkanalstenose sei, die aber nach ihrem Gutdünken nicht so gravierend aussehe, dass eine OP notwendig sei. Sie zeigt auf die Schrauben und die zusammengezurrten Wirbel LW5 und SW1 und fragt dann, was ich für Beschwerden habe. Ich solle mit dem Finger die Ausstrahlung des Schmerzes vom Lendenwirbelbereich bis zu den Zehen simulieren und ich zeige ihr die Bahn, die über die Außenseite des Oberschenkels in die linke Kniehälfte, dann ins Schienbein und bis in den großen Zeh verläuft. Das sei klassisch und für sie als Neurochirurgin keine Überraschung. Auf meinen Einwand, dass der Hausarzt gemeint habe, dass beim Durchlesen des Radilogenbefundes eindeutig schwere Veränderungen gefunden wurden, entgegnet sie lapidar, dann soll doch bitte der Hausarzt das operieren. Baff. das saß. Sie verhielt sich sehr distanziert und antwortete bislang in einem schnippischen Ton. Erst als ich von der fehlenden Muskelkraft in den Beinen und den permanenten Schmerzen berichtete und auch angab, dass ich immer noch sehr aktiv meinen Beruf ausübe und bis vor wenigen Wochen nach meiner Anschauung fit gewesen sei, fragte sie mich, was ich denn beruflich mache. Als ich antwortete, dass ich Fotograf und Künstler sei, kam zunächst die Frage, ob ich davon leben könne und ich beruhigte sie, dass ich in Rente sei und trotzdem weiter arbeite, weil es eben mein Leben sei. Eva erzählte dann, dass wir jahrelang Kunst- und Kulturreisen arrangiert und geführt hätten, taute sie auf und interessiert sich für uns. Frau Prof. Dr. Cleopatra Charampalaki schaltete einen Gang zurück und im moderaten Tempo näherten wir uns an. Es fühlte sich so an, als wäre man nach lnger Zeit und langer Suche in einem Tal der Hoffnung gelandet. Nach kurzweiligen Geschwätz fehlte wieder einmal ein wichtiges Puzzlestein, um ein Bild zu erhalten, welches Auskunft über die Ursachen meiner Gebresten geben könnte. Ein CT neueren Datums musste her und sie schrieb auf einem normalen, karierten Schreibblock die Überweisung, was mich verwunderte, obwohl der Dame war eben alles zu zutrauen und wahrscheinlich würde es auch bei den bürokratischen Wachhündinnen so durchgelassen. Als ich einwarf, dass ich vor zwei Wochen noch ein CT hätte machen lassen, war sie einverstanden, dass kein neues Röhrenfoto mehr gemacht werden sollte. So wurden wir entlassen , ausgestatet mit dem Termin am folgenden Montag wiederzukommen, um ein finales Ergebnis vielleicht als Erlebnis feiern zu können. Nur der Orthopäde war noch zufrieden zu stellen, weil er der Meinung war, ein Röntgenbild von der Hüfte könne vielleicht Aufschluss seiner Theorie der Arthrose eines oder beider Hüftgelenke geben. Auch wenn ich das für übeflüssig hielt, sollte der Vollständigkeitshalber eben auch dieses Bild meiner Beinaufhängung die Indizienlage vervollständigen.

Wir fuhren nachhause und waren erst einmal besserer Hoffnung, weil es weiterzugehen schien und nur noch fünft Tage auszuhalten seien, bis vielleicht aus der Ursache eine medizinisch geprägte Wirkungsweise entstehen könnte. Die nächsten Tage entwickelten sich zu einer Horror-Picture-Show, da ich nicht schlafen konnte und im Dahindämmern trotzdem die verrücktesten und aberwitzigsten Bilder durch mein Schädel tanzen sah, ein Abfolge schnell geschnittener Filmschnitzel von Kindheitstraumata über Umzugsfahrten durch Berlin bis zu den in den letzten Wochen im Fernsehen gesehenen Szenen zwischen Mafiakillern, Westernherumgeballere, Liebesszenen ohne Liebe, Friedhofsirrungen im nächtlichen Mondesschein  und Kriegsszenen aus allen Kampfgetümmeln zwischen dem Donbass und den Tunneln unter dem Gazastreifen. Ich warte also auf den Montag bei der erneuten Visite bei der griechischen Professora und nehme den Termin im Strahleninstitut zur Röntgenuntersuchung wahr, bei dem ich wieder einmal von einer Bürokratiekontrolle zur nächsten geschickt werde, damit im Gesamtablauf der bürokratischen Netzwerke alles irgendwie mehr oder weniger geordnet die Richtigkeit der Kontrollfunktionen erfüllen kann und jeder nach der Gebührentabelle der kassenärztlichen Vereinigung das ihm zustehende Honorar überwiesen bekommt. Das ist nicht der sozialistische Gang, sondern die Zufriedenstellung des neoliberalen Gesundheitssystemalgorithmus, sofern er funktioniert.
Am Montag Morgen war ich trotz meiner durch Medikamente beeinflussten Stimmung zusätzlich aufgeregt, weil ich der Meinung war, dass sich heute eine Entscheidung am blaßen Horizont der Hoffnung abzeichnen würde. Auf nach Merheim, auf zur Professora Graeca, die mir vielleicht einen Weg aus meinem Dilemma würde zeigen können. Als wir ihr Ambulanzbüro betraten, kam als Erstes die Bemerkung; „Sie waren doch schon einmal hier, oder“ Völlig konsterniert erinnert ich sie an den letzten Mittwoch und gleich darauf erfolgte der kleine Kampf mit der Öffnung eines Bildes über den sogenannten QR-Code, den sie diesen über ihr Handy versuchte zu öffnen, weil ihr Bildschirm kein Kameraauge hatte. Das gelang ihr nicht, weil es zusätzlich noch einen Zahlen-Buchstaben-Code gab, der auch noch eingegeben werden musste, um endlich freie Sicht auf ein CT zu bekommen. Anstatt sich die CT-Aufnahme auf ihrem Bildschirm anzuschauen, der erstens viel größer als das Display auf dem Handy war und zweitens eine bessere Auflösung hatte, wischte sie mit den Fingern auf der Screenschicht des smartphomnes hin und her, um dann völlig desinteressiert von sich zu geben, dass sie nichts besonderes sehen würde, was ihr Sorgen bereiten würde. Für sie schien der Fall damit erledigt zu sein, zumindest verhielt sie sich so und auch ein durchaus zielführendes Verbalgeplänkel über die nun folgenden Empfehlungen führte zu nichts. Es gipfelte in sarkastischen Auslassungen über geschmolzene Waden, Sinn und Unsinn von Ibuprofen und Diclofenac bei Herzpatienten und dem Ratschlag, schwimmen zu gehen oder Rad zu fahren. Sie schien vergessen zu haben, dass ich in meinem Zustand weder das noch das andere lebend überstehen würde. Die griechische Medizin Kassandra erwies sich als Xantippe der Neurochirurgie, von der sie zumindest die Zusammenhänge zwischen Nerven und Muskeln zu verstehen vorgab. ich würde sagen, dass der Besuch in Merheim ein Griff in ein hellenisches Klo war und zumindest für die nächste Zeit als Orakel nicht mehr in Frage kommen würde. Was aber tun, die Ursache meiner Malaise blieb immer noch im Verborgenen und der Zustand meiner Lendenwirbelsäule wie der unteren Extremitäten blieb ein labyrinthisches Suchspiel ohne Aussicht diesem Wirrwarr entkommen zu können. Wieder nachhause fahren, die Welt und insbesondere das Griechentum zu verfluchen, brachte auch nichts und selbst die Ratschläge meines persönlichen Medizinmannes dragen nicht zum inneren Kern meiner Leiden durch. Verzweiflung machte sich in meinen Hirnwindungen breit und wie früher oft gesagt wurde: „Da ist guter Rat teuer“. Ja, Gottverdammi, ich brauche vielleicht einen guten Rat, aber teuer muss er auch nicht sein, denn zu Urgroßvaters Zeiten plagten sich die Menschen auch mit Gebresten dieser Art herum und fanden irgendwo eine warme Quelle, vergruben sich im Heu oder schmierten sich hochprozentige Destillate auf die Art, wobei sie nie vergaßen, den Rest durch die Kehle laufen zu lassen. Aber es gebt hier weder warme Quellen und mit dem Heu ist es angesichts der agrarpolitischen Zuteilungen der Brüsseler Bürokratie auch nciht weit her in unserer Gegend, wo die reine Chemie der Vernichtung allen Lebens die meisten Menschen ernährten. Pfarrer Kneipp wusste immer Rat, aber selbst in seinen Schriften ist nichts zu finden, was heute noch zur Anwendung kommen könnte. Also schaue ich mir im TV einen Mordbubenfilm aus Hollywood an und schleiche mich zerknirscht ins Bett, wo mir nachts meine „restless legs“ den Rest geben. Würde man Dreh- und Windungen mit einer Kamera aufnehmen und mit Speed ablaufen lassen, käme jeder vernünftig denkende Mensch auf die Idee, dass mich der Turboveitstanz im Liegen überfallen hätte. Drei Stunden Schlaf und diese Dunkelheit treiben den selbst den abgebrühtesten Masochisten in Flammen des Höllenfeuers. Aber – eine Bltzidee, geboren aus der Verzweiflung zwingt mir die Überlegung ins Hirn, am anderen Tag den Orthopäden aufzusuchen und solange zu insistieren, bis mir eine Reha-Kur in einer neurologisch-orthopädischen Klinik verordnet wird. Ein letzter Strohhalm der Hoffnung vielleicht. Ich muss aus diesem Jammertah heraus und alles in Bewegung setzen, was an Maßnahmen noch übrig geblieben ist. Den Rest der Nacht verpuppt sich mein Leiden in der Zufluchtshöhle der letzten Hoffnung unter der Bettdecke.

Der Orthopäde ist vorgewarnt und gegen Mittag des darauffolgenden Tages schleppe ich mich mit Hilfe öffentlicher Verkehrsmittel in die Praxis hoch über den Dächern der Stadt. Man kennt mich und meiner Ansicht nach, mag man mich auch, selbst wenn ich mich als aufdringlich und drängend vorkomme. Ja, die Aufnahmen als Produkt der unterschiedlichen Durchleuchtungsmethoden sind orthopädisch eindeutig, was nichts anderes bedeutet, dass keine ungewöhnlichen Veränderungen zu sehen sind. Der Orthopäde kennt die Knochen und weiß, wo die Nerven aus dem Spinalkanal sprießen, aber ob irgendwo leichte Dellen oder verdickungen zu sehen sind, vermag auch er nicht zu beurteilen, weil es sich um Nanomillimeter handelt, die auf dem schwarz-weißen Querschnitt, der einem Scherenschnitt ähnelt, kaum zu sehen sind und wenn, nur von einem übergeordneten Nervenspezialisten gedeutet werden können. Die Schrauben sollen fest verankert sitzen, aber woran erkennt er das, denn ich sehe nur unscharfe Schemen und wenn ich das auf einem meiner Fotos entdecken würde, käme gleich die 800 Prozentlupe zum Einsatz. Kurz und gut, die Ratlosigkeit bleibt und es ist keine Schande, wenn der Arzt auch ein vielsagend ratloses Gesicht macht. Aber der Trumpf mit der Reha ist noch nicht gespielt und jetzt wird das Kreuzas fürs Kreuz auf den Tisch geschoben, leicht und behende und so, dass ein Widerspruch sinnlos ist. Ja aber natürlich können wir eine Reha beantragen und noch ehe ich mein Begehr weiter erklären kann, tippt die Arztheleferin schon die Parameter meiner Leidensgeschichte in den Computer. Stärkere Medikamente, selbstverständlich, aber nicht übertreiben, BTM Sie wissen schon, aber was halten Sie von Unterwassergeymnastik oder Stromschwingungen; alles ist förderlich und es braucht nur das entsprechende Formlar mit der Unterschrift des Doktors. Es ist wie ein Wunder, denke ich und beim nächsten Gedanken, bezichtige ich mich der Blödheit, nicht schon früher daran gedacht zu haben, die Allmacht des Arztes für meine Gesundung in allen möglichen Fazetten einzufordern. Euphorie der milderen Sorte strömt durch meine Glieder, auch wenn ich noch zweifle, kann es ein Anfang sein. Die Zeit demaskiert sich wieder einmal mit ihren Geduldsdaumenschrauben und ein erster Tag vergeht, der hinter dem Grau des Novemberhimmels zu leuchten scheint, aber vielleicht ist es auch nur eine verirrte Hamasrakete, die sich nordwärts durch den Iron Dome verirrt hat. Ein weiterer erhebt sich aus dem Morgengrau und die Nacht war wieder einmal die nächste Aufführrung meines Zappelbeinenballets und so geht es weiter. Kaum liege ich im Bett, habe das Licht ausgeschaltet und die Augen geschlossen, habe ich den Eindruck, dass beide Beine wie bei einer Marionette an Fäden hängen, aber keinesfalls so reagieren, als würde die unsichtbare Hand des Puppenspielers unter Strom stehen und sich unter Zuckungen hin und her, auf und ab und im Kreis bewegen. Von Stunde zu Stunde bewegt sie sich schneller und in meinem Kopf dreht sich alles, bis ich aufstehe und eine Weile hin und herschlurfe. Kaum liege ich, geht es wieder los und ich bewege in meinen Gedanken die Möglichkeit, einfach aus dem Fenster zu springen, damit endlich dieses irrwitzige Tohuwaboho ein Ende hat. Mein Freund, der Medizinmann lebt zwar in Berlin, aber als er mir erklärt, dass es vielleicht daran liegen könnte, dass der Druck auf die Nerven nachlässt, wenn ich mich in eine Ruhestellung bewege und dass ich Opioide nehmen sollte, damit sich die Nerven mit deren Wirkung lahm legen lassen. Auch wenn ich nur ungern diese härteren Arzneimittel beanspruche, musste es diesmal sein und ich war verwundert, dass es so gut funktionierte.
Zusätzlich zu meinen Knochen, Nerven und Muskelschmerzen stellte ich fest, dass mein linkes Ohr fast taub geworden war, ein Phänomen, das ich kannte, weil es lediglich mit der Überproduktion von Schmalz zu tun hat.

im Marschtempo eine kleine Stadt durcheilte, viele Treppen hoch und runter lief, keuchend und trotzdem ohne Stehen zu bleiben. Den anderen, die mit mir gingen, erklärte ich alles was ich über die alte Stadt wusste, was diese Siedlung aus Keltenzeit in der langen Zeit ihres Bestehens über die Jahrhunderte so faszinierend werden ließ. Der Himmel war durchgehend bewölkt und grau verhangen, so dass die Farben der Hausfassaden und deren blassroten Dächern, der mächtigen Kathedrale mit der bunten bleiverglasten Rosette, die marmoren Denkmäler wichtiger Männer, die Zypressen, diePinien und Eichen seltsam verwaschen farblos erschienen. Das war nicht die Stadt, die ich kannte, die im Licht strahlende Farbsymphonie des Südens, mit breiten Pinseln in allen Nuancen die in der Sonne  Das hätte ich mit diesen dünnen Bleistiften, die aus meinen Pobacken bis zum Boden reichten, niemals hinbekommen. Ich machte ein paar Schritte durch den Flur und merkte, dass diese neuen Beine nicht in der Lage waren, so zu gehen, wie ich es gewohnt war. Ich taumelte, ob vor Erschrecken oder mangelnder Standfestigkeit und ein stechender Schmerz raste durch meine Beine in den Rücken und wieder zurück, der mich an den Sturz mit einem Schlitten und anschließendem Salto in den gefrorenen Schnee erinnerte. Oder ist das Unsinn, wenn man glaubt, sich an einen Schmerz zu erinnern oder gar Vergleiche anzustellen? Vor lauter Schmerzen konnte ich aber nicht weiter über Schmerzen nachdenken, weil meines Erachtens das Erleiden und das Feststellen nicht gedanklich kompatibel sind. All das war mir jetzt gleichgültig, denn ich war nicht mehr Ich oder ein Teil meines Ich hatte sich selbständig gemacht und mein mir bekanntes Ich in häßliche Stücke Fleisch mit kantigen Knochen verwandelt.     Die Unterschenkel sind so dünn wie als Vierzehnjähriger und auch die Oberschenkel haben erheblich Volumen verloren. Was ist das, was ist mit meinen Beinen los, wie kann das sein, über Nacht, auch wenn ich nicht mehr genau weiß, ob diese Veränderung über Nacht oder schon seit dem Tag meiner Rückkehr begonnen hat.