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Reisen ist schön, macht aber auch viel Arbeit

Die Entscheidungen, die Frühsommerreisen zu planen, hängen von sehr vielen organisatorischen Faktoren wie Ideen und Assoziationen ab und lediglich ein scheinbar unbedeutendes Ereignis kann oft der Auslöser dafür sein, ein Land, eine Stadt oder ein Region als Destination auszuwählen und genauer unter die Lupe zu nehmen. Arles war letztes Jahr in den vielen Gedankentouren nicht vorhanden, erst als wir über Zeitungsartikel darauf aufmerksam wurden, dass in Arles das große LUMA Zentrum mit dem ehrgeizigen Plan, innovative Kultur- und Nachhaltigkeitsperspektiven zu entwickeln und zu realisieren, entstand und reifte bei uns der Plan, während unserer winterlichen Ortsverlagerung nach Marseille, Arles zu besuchen, um vor Ort zu sehen, was die Atmosphäre der Stadt ausmacht.

Vor einigen Jahren, während der zweiten Marseille-Tour bin ich nach Arles gefahren und hatte genau den Tag erwischt, als die Stier- und Pferdezüchter ihren farbenprächtigen Umzug um die Arena zelebrierten. Dieses Defilee hat mich sehr beeindruckt und eine Fotoserie dokumentiert dieses Ereignis.

Phokäer, Römer, Päpste, van Gogh, Gauguin und LUMA bedeuteten zumindest einen ersten Ansatzpunkt, um ernsthaft diese Idee weiter zu verfolgen. Weil Avignon unweit der Rhône liegt und Les Baux-de-Provence mit seiner einzigartigen Lichtshow über Bilder weltbekannter Maler der Moderne eine weiteres faszinierendes Erlebnis bietet, fiel die Wahl dann im Winter 2019 auf Arles und die beiden anderen Orte.

Nach reiflicher Überlegung haben wir uns entschieden, nicht im Bereich der Innenstadt zu wohnen, weil wir ein geeignetes Apartment oder Haus benötigten, das uns für unsere Arbeit wie alle zeitnahen Vorbereitungen genügend Platz und Komfort bieten konnte. Was nutzt uns eine pittoreske, im Stil des Südens eingerichtete Wohnung, wenn nicht genug Platz ist, die Küche nur über notdürftige Kochgelegenheiten verfügt und alle wichtigen digitalelektronischen Verbindungen nur unzureichend nutzbar sind.

In Palermo wohnten wir unmittelbar in der Nähe des großen Marktes „Ballaro“ in einem Wohnblock, hatten drei Zimmer, einen Balkon, von dem man über die ganze Stadt schauen konnten und waren trotz der nicht sehr touristikaffinen Wohngegend mit allem ausgestattet, was wir brauchten. Nur das Internet machte Probleme, die ich aber in kürzester Zeit lösen konnte. In Athen wohnten wir auch außerhalb, aber in Nähe des neuen Museums EMTS in der ehemaligen Fix-Brauerei und fühlten uns „sauwohl“ zwischen Syntagma, Omonia, Neo Kosmos und Nea Smyrna.

Hier in Arles haben wir uns unmittelbar hinter Stalingrad niedergelassen, wie ich es scherzhaft ausdrücke, weil wir unmittelbar hinter der Rue Stalingrad allerdings in der Rue de la Liberation ein Haus gefunden haben. Marianne und Carlos sind stets bemühte und zuvorkommende Gastgeber und haben uns mit dem Haus im Wohngebiet neben der Zone industrielle et commerciale eine wirklich gute Heimstatt für die vielen Wochen überlassen. Dabei kann sich der Preis sehen lassen, aber darauf kam es uns ohnehin nie an. Wir brauchen für die anstrengende Zeit ein funktionsfähiges und komfortables Domizil, wohin wir uns auch nach den Touren zurückziehen können. Wir lassen das Auto stehen und fahren entweder mit dem Bus oder dem Fahrrad in die Stadt. Eine Busfahrt, die mehr als Stunde dauert, kostet 1 Euro und wenn man sich ein Abo kauft, bezahlt man als über 62jähriger nur acht Euro pro Woche. Wir haben einen Marché Leclerc in Reichweite, ansonsten kann man Obst und Gemüse, Fleisch und Fisch mittwochs und samstags auf den Markt einkaufen.

Als wir im Januar nach Arles fuhren, um eine erste Bestands- und Möglichkeitsaufnahme für die Reise im Sommer zu testen, kam uns die Stadt auch wegen des kalten Mistrals und der überall zu bemerkenden vegetativen Kahlheit zunächst ungemütlich und fremd vor und wir dachten, dass trotz Arena, Amphitheater, LUMA, Musee van Gogh und die verwinkelte Stadt als solche ein Risiko bestehen würde, dass es im Juni ein Reinfall werden könnte. Aber als wir am 1. Juni ankamen, sahen wir, dass sich die Stadt durch das sommerliche Licht und die vielen unterschiedlichen Baumarten, Hecken und Pflanzen in ein städtisches Paradies verwandelt hatte. All die Restaurants, Bistros und Shops taten ein übriges, jene quirlige Lebendigkeit einer Kleinstadt zu erleben, die wir aus den Mittelmeerländern kannten. Bis zur Ankunft der ersten Gruppe blieben noch einige Tage der Vorbereitungen und es war außerordentlich wichtig, den Ablauf der einzelnen Programmpunkte vor Ort zu verifizieren. Die Carrieres Lumieres waren im Winter geschlossen und da wir die neue Projektionsshow über van Gogh und japanische Einflüsse noch nicht sehen konnten, stand die Organisation dieser Fahrt an vorderster Stelle. Schließlich ging es um Hin- und Rückfahrt, um Parkplätze, Gebühren und Eintrittskarten, aber auch um den Ort selbst, der mit dem Chateau auf dem Felsplateau thront. Als wir ankamen, sahen wir, dass schon ein bis zwei Kilometer links und rechts vor dem Eingang der Lichtprojektionshöhle alle Parkplätze belegt waren. Das gesamte Gebiet um Les Baux hatte sich im Laufe der Jahre zu einer Anreihung von Parkplätzen verändert, eine Einnahmequelle, die der Kommune in den Monaten von Mai bis Oktober Tag für Tag viel Geld beschert. Mit mindestens 5 Euro für eine Stunde war man dabei. Wir hatten Glück, weil wir vor der Mittagszeit angekommen waren und sehr schnell eine Eintrittskarte bekamen, aber die vielen Menschen verursachten eine gewisse Unsicherheit, ob wir die Touren mit den PkW´s der Reisegruppe würden bewältigen können. Ein Kommunikationswirrwar über die Buslinie 57 sorgte für weitere Bedenken, denn obwohl im Internet die Envia (Verkehrsgesellschaft in Arles) schwarz auf weiß behauptet, dass um 14 Uhr Busse fahren würden, sagten alle einheimischen „Kenner“, dass es keine Buslinie mehr geben würde. Auf Anfragen bekam ich keine Antwort und eine Reglement mit einer Taxifirma erwies sich als letzte Chance, alle 24 Personen zwischen Arles und Les Baux hin und her zu chauffieren. Auch das Tourismusbüro war überfordert und ein ortsansässiges ÖPNV-Busunternehmen verlangte fast 700 Euro für einen Bus mit Fahrer und entsprechender fünfstündiger Wartezeit. Nachdem wir alle Möglichkeiten durchkalkuliert hatten, löste sich das Problem son selbst, weil genügend Autos der anreisenden Gäste zur Verfügung standen.

Wir sind im Winter natürlich auch nach Avignon gefahren, um das bislang noch nicht vollständig abgesegnete Programm mit allen Wegen, Sehenswürdigkeiten, wichtigen Programmpunkten an den von uns vorher ausgedachten geschichtlich und lokalkulturellen wichtigen Orten der Stadt immer wieder abzugehen und alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, wie das Programm letztendlich für alle ein Erlebnis werden würde. Eine wichtige Rolle spielte dabei, dass trotz Arbeitsfreizügigkeit in der EU überall kommunaler Protektionismus betrieben wird, die jede Führung durch uns unmöglich macht, weil es schlicht und einfach entgegen allen europäisch verabschiedeten Gesetzen verboten ist. Wir mussten daher auf externe Guides zurückgreifen und die Auswahl, sofern man eine hat, ist immer ein Drahtseilakt. Welche Führer*innen würden uns zugeteilt werden, wie würden sie bei den Mitreisenden ankommen und welche Möglichkeit individueller Programmgestaltung würden uns übrig bleiben. Alles muss vorher minutiös vorbereitet werden und das geschieht zuvorderst in Köln während der Reisevorbereitungen. Deshalb haben wir auch Frau Nathalie Meisner engagiert, weil wir ihr seit unseren Marseille-Reisen vertrauen können, dass sie in unserem Sinne ihre Führungen durchführt.

Wie wird die Zeit eingeteilt, welche Pausen finden wann und wo statt? Was ist uns als individuell gestaltender Privatorganisateur wichtig, indem wir die Führungen thematisch so anbieten, dass wir uns entscheidend von anderen Anbietern der Kunst- und Kulturreisen abheben können? Wollen wir uns überhaupt vergleichen oder können wir unserem treuen Kundenstamm genau das anbieten, was sie von uns erwarten und was sie selbst goutieren können? Unser Anspruch, Kunst, Kultur, Geschichte und Philosophie miteinander zu verknüpfen muss für unsere Klientel und ebenso wie für uns vertretbar sein. Das ist unser Markenzeichen, unser USP (unique selling proposition = einzigartiges Markenverpsrechen) und das gerade deshalb so erfolgreich, weil wir unseren Einsatz und das, was unsere Gäste erleben wollen, sich eben elementar gegenüber allen profitorientierten Unternehmen unterscheidet. Es geht uns auch um Ökologie und neuen kreativen Utopien, wie die Zukunft aussehen soll und wie die vielen Denkanstöße  realisiert werden können. Die Zeichen der Zeit verlangen neue Konzepte und gerade als Verantwortliche für Kunst und Kultur, stehen wir neuen Herausforderungen gegenüber, die wir im Zeitalter des „ökologischen Fußabdrucks“ so vertrauensvoll wie möglich stellen wollen.

Deshalb auch das neue Projekt LUMA, wo soziale und ökologische Verantwortung umgesetzt werden soll, um alte Horizonte zu überschreiten und Neue zu definieren. Das Beispiel von Frau Maja Hoffman sollte Mut machen, dass Engagement und Kapital verbunden mit Mut Hoffnung aufleben lassen kann. Wenn die Realpolitik auf der Stelle tritt, muss der Einzelne handeln.

Auch wenn sich das gesamte Areal LUMA noch in baulicher Konstruktion befindet und erst der Gehry-Turm und eine große Halle zumindest architektonisch fertiggestellt sind, ist gerade die Phase des Entstehens und der Zielsetzung in unseren Augen ein wichtiger Aspekt für ein derartig engagiertes Projekt. Darüber darf allerdings nicht vergessen werden, dass inzwischen einige Multimilliardäre ihr Vermögen für öffentliche und sozialkonforme Projekte einsetzen und dass dies ein Fortschritt gegenüber den Jahrzehnten zuvor ist.

Angesichts der Dystopie, dass unsere Erde durch menschenverursachte Klima- und Ökologieschäden unbewohnbar werden kann, scheint im Neoliberalismus oder Digitalkapitalismus nach bleiernen Jahren ein Umdenken einzusetzen.

Die Reminiszenz an einen mittelalterlichen Intellektuellen wie Petrarca ist wichtiger denn je, weil es uns zeigt, dass es zu allen Zeiten charismatische Persönlichkeiten gab, die weit über ihre Zeit hinausdachten.

Die Vorbereitungen für eine derartige Reise, wenn sie das angestrebte Ziel erreichen soll, wie wir uns das vorgestellt haben, währt mindestens 6 Monate und fängt am Tag der Umsetzung wieder von vorne an, weil die Situation oft Flexibilität und Improvisation erfordert. So auch das kleine Weinseminar über die Côtes de Rhône Weine, das erst im Mai des Jahres klare Konturen annahm, weil die Quellen für einen anderen Vortrag nur unzureichend zu bekommen waren. Wein und die gesamte Ernährungskultur einer Region sind gleich wichtig wie alle geschichtlichen Ereignisse und Hinterlassenschaften, weil das eine ohne das andere undenkbar wäre. Deshalb haben wir verschiedene Weingüter aufgesucht und uns strikt an ein reduziertes Konzept gehalten. Es ging nicht ums Belehren oder um Beeinflussung, sondern um ein realistisches Bild des Weinanbaus zwischen Vienne und der Camargue. Wir wissen genau, dass gerade in Deutschland bestimmte Bevorzugungen von Weinanbaugebieten in Frankreich präferiert werden und stellten deshalb stellvertretend für alle Rhôneweine nur drei Winzer und Orte vor, die in unmittelbarer Umgebung liegen. Für die Reisenden eröffnet sich dadurch die Möglichkeit, selbst auszuprobieren, was ihnen persönlich am besten mundet. Ich persönlich würde es noch eindringlicher finden, ein typisches Restaurant mit regionaler Küche zu finden, um beispielsweise die lokalen Spezialitäten wie Aioli, Daube Provençale oder Gemüse mit Camargue-Reis kennen zu lernen. In Palermo fanden wir im Cantieri Culturale ein kleines Bistro, in dem alle zusammen eine Mahlzeit zu sich nahmen.

Zwei Gruppen mit 24 Personen haben inzwischen selbst erlebt, was wir mit unserem Programm erreichen wollten und die anschließende Beurteilung fiel allgemein positiv aus. In 14 Tagen fahren wir wieder zurück und überlegen jetzt schon, ob wir im nächsten Jahr wieder die mannigfaltig gefüllte Schatztruhe Frankreich erneut besuchen werden. Viele kennen zwar die allgemeinen Hotspots, aber aus meiner reichhaltigen Reiseerfahrung kann ich nur sagen, dass es zwischen Atlantik, Mittelmeer und der Kanalküste viel mehr zu erkunden ist, als sich jeder Reiseführer ausdenken kann.

W.N. 24.6.2019

P.S. Vielleicht schreiben Sie uns auch einmal, wie Sie unsere Reisen bewerten und was vielleicht zu verändern wäre.